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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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weinen.
    Erlends Gesicht bebte, und die Tränen liefen ihm über die Wangen, als er Lavrans’ Hand hob und sie küßte, während er seinen Schwiegervater leise bat, ihm alles zu verzeihen, womit er in all den Jahren seinem Sinn entgegengehandelt hätte. Lavrans sagte, dies tue er aus vollem Herzen, und er bat Gott, alle Tage mit Erlend zu sein. Es lag ein seltsam bleiches Licht über Erlends schönem Antlitz, als er still zurücktrat und sich an die Seite seiner Gattin stellte, Hand in Hand mit ihr.
    Simon Darre weinte nicht, aber er kniete nieder, als er die Hand des Schwiegervaters zum Kuß ergriff, er blieb eine Weile so liegen und hielt sie fest. „Warm und gut ist deine Hand, Eidam“, sagte Lavrans mit einem schwachen Lächeln. Ramborg wandte sich ihrem Manne zu, als er zu ihr trat, und Simon legte seinen Arm um ihre zarten Mädchenschultern.
    Zuletzt nahm Lavrans Abschied von seiner Frau. Sie flüsterten einige Worte miteinander, die niemand hörte, und wechsel-ten einen Kuß im Beisein aller anderen, wie es sich geziemen konnte, wenn der Tod in der Stube war. Danach kniete Ragnfrid vor dem Lager ihres Mannes nieder, das Gesicht dem seinen zugewandt; sie war weiß, still und ruhig.
    Sira Eirik blieb im Hause, nachdem er den Sterbenden mit dem Öl gesalbt und ihm die Wegzehrung gegeben hatte. Er saß zu Häupten des Bettes und betete, Ragnfrid saß jetzt auf der Bettkante. So vergingen einige Stunden. Lavrans lag mit halbgeschlossenen Augen da. Dann und wann bewegte er unruhig den Kopf auf den Kissen, fuhr ein wenig mit den Händen auf der Decke umher, holte von Zeit zu Zeit schwer und stöhnend Atem. Sie glaubten, er habe die Sprache verloren, aber ein Todeskampf war dies nicht.
    Es wurde früh dunkel, und der Priester zündete ein Licht an. Die Leute saßen still da, sahen den Sterbenden an und lauschten dem Rieseln und Träufeln des Regens draußen rings um das Haus. Dann kam es wie eine Unruhe über den Kranken, der Körper bebte, das Gesicht wurde blau, und Atemnot schien ihn zu quälen. Sira Eirik griff unter seine Schultern, hob ihn in sitzende Stellung, während er Lavrans’ Kopf an seine Brust legte und ihm das Kreuz zeigte.
    Lavrans öffnete die Augen, heftete den Blick auf das Kruzifix in der Hand des Priesters und sprach leise, aber so klar, daß die meisten in der Stube es hörten:
    „Exsurrexi, et adhuc sum tecum.“*
    Noch einige Zuckungen durchliefen den Körper, seine Hände tasteten auf der Bettdecke umher. Sira Eirik hielt ihn noch weiterhin eine Weile an sich gelehnt. Dann legte er behutsam die Leiche seines Freundes auf die Kissen zurück, küßte seine Stirn und glättete ihm das Haar, ehe er Augenlider und Nase zudrückte, erhob sich und begann ein Gebet zu sprechen.
    Kristin durfte während der Nacht mit den andern bei der Leiche wachen. Man hatte Lavrans im oberen Stockwerk auf Stroh gebettet; denn man erwartete viele Menschen zur Leichenwache, und dort war am meisten Platz.
    Der Vater dünkte,sie unsagbar schön, wie er so im Kerzenglanz dalag, das goldenblasse Angesicht entblößt. Man hatte das Schweißtuch heruntergeschlagen, damit es nicht beschmutzt werden sollte von den vielen, die herbeikommen und das Gesicht des Toten sehen wollten. Sira Eirik und der Pfarrpriester
    * (lat.) Wenn ich aufwache, bin ich noch bei Dir. (Ps.139, 18) von Kvam sangen über der Leiche - der letztere war am Abend gekommen, um von Lavrans Abschied zu nehmen, hatte ihn jedoch nicht mehr am Leben getroffen.
    Aber schon am nächsten Tag begannen die Gäste auf den Hof einzureiten, und jetzt mußte sich Kristin der Schicklichkeit halber zu Bett legen, da sie immer noch nicht in der Kirche gewesen war. Jetzt war sie es, deren Kindbett mit seidenen Decken und den schönsten Kissen bereitet wurde. Die Wiege wurde von Formo heimgeholt; darin lag nun der kleine Lavrans, und jeden Tag gingen Leute ein und aus, um sie und das Kind zu sehen.
    Die Leiche des Vaters blieb auch weiterhin schön, wie Kristin hörte - sie war nur etwas gelblicher geworden. Und noch niemals hatte man so viele Lichter zur Bahre eines toten Mannes bringen sehen.
    Am fünften Tag begann der Leichenschmaus, er war in jeder Beziehung über die Maßen prächtig - auf dem Hof selbst und auf Laugarbru standen mehr als hundert fremde Pferde, und auch auf Formo wurden Gäste untergebracht. Am siebenten Tag wurde das Erbe in Einigkeit und Freundschaft geteilt -Lavrans hatte selbst alles vor seinem Tode geordnet, und alle fügten sich genau

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