Kristin Lavranstochter 1
Laugarbru am Berg entlangführte, leuchtete der Winterroggen wie ein Teppich frisch und schimmernd auf - Jon hatte im vergangenen Jahr dort den Niederwald geschwendet und Getreide in das Erdreich gesät.
Wenn der Leichenzug an dieser Stelle vorüberkäme, würde sie ihn am besten sehen.
Und dann zog das Gefolge am Steinhang, oberhalb des frischen neuen Roggenackers, vorbei.
Sie konnte alle Priester unterscheiden, die an der Spitze ritten; es waren in der ersten Schar auch Kirchendiener dabei, die Kreuze und Kerzen trugen. Die Flammen konnte sie im Licht des klaren Tages nicht sehen, aber sie erkannte die Kerzen wie dünne weiße Striche. Dann kamen die beiden Pferde, die den Sarg des Vaters auf einer Bahre zwischen sich trugen, und dann konnte sie Erlend auf dem schwarzen Pferd unterscheiden, die Mutter, Simon und Ramborg und viele ihrer Verwandten und Freunde in dem langen Gefolge.
Eine Zeitlang vernahm sie den Gesang der Priester schwach über dem Tosen des Flusses, dann aber erstarb die Melodie der Hymnen in dem Flußrauschen und in dem Geriesel der Frühlingsbäche an den Hängen. Kristin blieb stehen und starrte hinüber, noch lange nachdem das letzte Saumpferd mit dem Reisegut im Gehölz dort hinten verschwunden war.
ERLEND NIKULAUSSOHN
1
Ragnfrid Ivarstochter überlebte ihren Mann nicht mehr ganz zwei Jahre, sie starb früh im Winter des Jahres 1332. Es ist weit von Hamar bis Skaun, so daß man auf Husaby ihren Tod erst erfuhr, als sie schon länger als einen Monat unter der Erde lag. Aber um die Zeit des Weißen Sonntags kam Simon Andressohn nach Husaby; es gab jetzt zwischen den Verwandten wegen der Hinterlassenschaft Ragnfrids dieses und jenes zu besprechen. Kristin Lavranstochter besaß nun Jörundhof, und es wurde so geordnet, daß Simon ihre Güter beaufsichtigen und mit ihren Bauern abrechnen sollte; er hatte das Gut schon zu Lebzeiten der Schwiegermutter verwaltet, während Ragnfrid in Hamar lebte.
Gerade um diese Zeit hatte Erlend Ärger und Unannehmlichkeiten wegen einiger Sachen, die sich in seinem Gau zugetragen hatten. Im Herbst zuvor hatte der Bauer auf Forbregd in Updal, Huntjov, seinen Nachbarn getötet, weil dieser seine Frau eine Hexe genannt hatte. Die Bewohner des Tales brachten den Mörder gebunden zum Vogt, und Erlend hielt ihn in einem Dachraum gefangen. Als aber die Winterkälte zunahm, ließ er den Mann frei unter seinen Knechten umhergehen. Huntjov war mit Erlend auf Margygren im Norden gewesen und hatte sich dort als tapfer und tüchtig erwiesen. Erlend stellte denn auch den Mann ins schönste Licht, als er ein Schreiben über Huntjovs Sache einsandte und um Haftentlassung bis zum Urteil für ihn bat. Und als Ulv Haldorssohn Bürgschaft dafür übernahm, daß Huntjov rechtzeitig zum Thing in Orkedal eintreffen werde, ließ Erlend den Bauern zu Weihnachten heim. Da aber reisten der Mann und sein Weib weg, um den Herbergsvater im Drivtal zu besuchen - er war mit ihnen verwandt und auf dieser Fahrt verschwanden sie. Erlend glaubte, sie seien in dem schweren Unwetter, das um jene Zeit geherrscht hatte, umgekommen, viele Leute jedoch sagten, sie seien geflohen - jetzt könnten die Knechte des Vogtes ihnen nachlaufen. Und dann kamen neue Dinge über die Verschwundenen auf: daß Huntjov schon einige Jahre vorher einen Mann im Gebirge getötet und die Leiche im Geröll vergraben habe — einen Mann, den Huntjov im Verdacht hatte, seinem Pferd die Seiten aufgeschlitzt zu haben. Und es stellte sich nun als sicher heraus, daß sein Weib Zauberei getrieben hatte.
Jetzt begannen der Priester in Updal und die Vertrauensmänner des Erzbischofs diesen Gerüchten über Zauberei nachzuforschen, und dies führte dazu, daß üble Dinge darüber aufkamen, wie die Leute in vielen Orten im Orkdölagau es mit ihrem Christentum hielten. Hauptsächlich war dies in den entlegenen Tälern, Rennabu, Updalsskogen, der Fall, aber auch ein alter Mann aus Budviken wurde dem Erzbischof in Nidaros vorgeführt. Hier zeigte Erlend so wenig Eifer, daß die Leute darüber redeten. Da war auch der alte Aan, der unten am See unterhalb Husabys gewohnt hatte und beinahe zu Erlends Gesinde mitgerechnet werden mußte. Er hatte sich mit Runen und Zaubersprüchen abgegeben, und er hatte sicher Abbilder in seiner Stube gehabt, denen er, wie die Leute sagten, opferte. Aber nichts Derartiges wurde in seiner Hütte gefunden. Erlend selbst und Ulv Haldorssohn waren wohl bei ihm gewesen, als er starb - und sie hatten
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