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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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sicherlich gar manches auf die Seite geräumt, ehe der Priester kam, behaupteten die Leute. Ja, wenn man jetzt näher darüber nachdachte, so war doch auch Erlends leibliche Muhme der Zauberei, der Hurerei und des Gattenmordes bezichtigt worden - obgleich Frau Aashild Gautestochter zu klug und zu geschickt gewesen war und wohl auch zu mächtige Freunde besessen hatte, als daß man sie irgendeiner Tat hätte überführen können. Und gleichzeitig erinnerten sich die Leute wiederum, daß Erlend in seiner Jugend recht wenig christlich gelebt und dem Bann der Kirche getrotzt hatte.
    Das Ende davon war, daß der Erzbischof Erlend zu einer Unterredung zu sich nach Nidaros kommen ließ. Simon begleitete den Schwager in die Stadt; er wollte seinen Schwestersohn von Ranheim holen, denn es bestand die Absicht, den Jungen, der eine Zeitlang bei seiner Mutter sein sollte, mit ins Tal heimzunehmen.
    Es war in der Woche, ehe das Frühjahrsthing abgehalten werden sollte, und um diese Zeit befanden sich viele Leute in der Stadt. Als die beiden Männer zum Erzbischofshöf kamen und in die Sprechstube gewiesen wurden, befanden sich mehrere der Chorherren und einige weltliche Herren dort - unter ihnen der Frühjahrsthingrichter, Harald Nikulaussohn, ferner Olav Hermannssohn, Richter in Nidaros, Ritter Guttorm Helgessohn, Vogt in Jemtland, auch Arne Gjawaldssohn, der sofort auf Simon Darre zuging und ihn herzlich begrüßte. Arne zog Simon mit sich in eine Fensternische, und sie setzten sich dort.
    Simon war nicht recht wohl zumute. Er hatte Arne nicht mehr getroffen, seit er vor zehn Jahren auf Ranheim war, und obgleich ihn die Leute dort so gut aufgenommen hatten, hatte der Anlaß zu jener Fahrt doch eine Narbe in seinem Inneren hinterlassen.
    Während Arne stolz von dem jungen Gjavvald erzählte, saß Simon da und behielt seinen Schwager im Auge. Erlend stand im Gespräch mit dem Schatzmeister - er hieß Herr Baard Peterssohn, war jedoch nicht mit der Hestnaes-Sippe verwandt. Man konnte nicht sagen, daß Erlends Haltung der Höflichkeit entbehrte; er war jedoch sehr frei und ungezwungen, wie er so dastand und mit dem alten Herrn sprach - ein wenig auf Zehen und Absatz wippend, die Hände auf dem Rücken ineinandergelegt. Wie fast immer war er in dunkle Farben gekleidet, aber sehr schön: er trug ein veilchenblaues Wams, das ihm knapp am Körper saß und an den Seiten geschlitzt war, einen schwarzen Schulterkragen, dessen Kapuze so zurückgeschlagen war, daß sich das graue Seidenfutter zeigte, einen silberbeschlagenen Gürtel und hohe rote Stiefel, die über den Waden festgeschnürt waren und die schlanken, schönen Beine und Füße des Mannes erkennen ließen.
    In dem scharfen Licht der Glasfenster des steinernen Gebäudes konnte man wohl sehen, daß Erlend Nikulaussohn an den Schläfen ziemlich grau geworden war. Rings um den Mund und unter den Augen war das feine, sonnverbrannte Gesicht jetzt ein wenig von Runzeln gefurcht, auch auf dem langen, schönen, geschwungenen Hals waren ein paar Querfalten entstanden. Dennoch sah er noch sehr jung aus zwischen den anderen Herren - wenngleich er durchaus nicht der Jüngste in der Stube war. Aber er war ebenso schlank und geschmeidig, bewegte sich noch in der gleichen freien, ein wenig unachtsamen Art wie in der Jugend und hatte noch denselben federnden und leichten Schritt, als er jetzt, nachdem der Schatzmeister ihn verlassen hatte, anfing, in der Stube auf und ab zu gehen, immer noch die Hände auf dem Rücken zusammengelegt. Die anderen Herren setzten sich alle nieder; sie unterhielten sich untereinander mit leisen, trockenen Stimmen. Erlends leichte Schritte und das Klirren seiner kleinen Silbersporen waren allzu deutlich hörbar. Endlich bat ihn ein jüngerer Mann ärgerlich, Platz zu nehmen.
    „Und mach doch keinen solchen Lärm, Mann!“
    Erlend hielt jäh inne, zog die Brauen hoch - dann wandte er sich lachend dem Sprecher zu.
    „Wo trankst du gestern abend, Verwandter Jon, daß du einen so empfindlichen Kopf hast?“ sagte er und setzte sich.
    Als Richter Harald zu ihm trat, erhob er sich und blieb stehen, bis der andere sich gesetzt hatte, ließ sich dann aber neben dem Richter auf den Stuhl fallen, schlug das eine Bein über das andere und hielt die Hände um die Knie geschlungen, während jener sprach.
    Erlend hatte Simon sehr offenherzig von all den Unannehmlichkeiten erzählt, die ihm dadurch erwachsen waren, daß er sich den Mörder und die Hexe hatte entschlüpfen lassen.

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