Kristin Lavranstochter 1
anders aufgefaßt, als daß man ihn zu einer Unterredung habe kommen lassen. Die Unterredung wurde daraufhin fortgesetzt, jedoch brachte es einige Störung mit sich, daß Guttorm Helgessohn immer wieder in Gekicher ausbrach.
Am Tag darauf, als die beiden Schwäger von Ranheim wegritten, lenkte Simon das Gespräch auf diese Zusammenkunft. Simon fand, Erlend nehme die Sache sehr leicht - er glaubte doch verstanden zu haben, daß unter den Großen mehrere waren, die ihm, wenn möglich, etwas anhängen wollten.
Erlend sagte, er wisse wohl, daß sie dies gerne täten, wenn es ihnen gelänge. Denn hier im Norden neigten ja die meisten zum Kanzler - mit Ausnahme des Erzbischofs, in dem Erlend einen zuverlässigen Freund besaß. Aber Erlends Vorgehen war in allen Dingen gesetzlich - er beriet sich stets mit seinem Schreiber, Klöng Aressohn, der über die Maßen gesetzeskundig war. Erlend sprach nun ernsthaft, lächelte nur flüchtig, als er sagte, niemand habe wohl erwartet, daß er sich in seinen Angelegenheiten so gut auskennen würde, wie es der Fall sei - weder seine lieben Freunde hier in den Tälern noch die Herren im Rat. Im übrigen sei er nicht sicher, ob er das Amt behalten wolle, wenn jetzt andere Bedingungen gelten sollten als die, die unter Erling Vidkunssohn geherrscht hätten. Bei ihm stün-
den die Dinge nun so, besonders seit dem Tode der Eltern seiner Frau, daß er es nicht nötig habe, um die Gunst jener Herren zu werben, die durch die Mündigsprechung des Königs zu Macht gelangt seien. Ja, den verfaulten Jungen könnten sie ebensogut jetzt wie später mündigsprechen, er wurde nicht männlicher, wenn man ihn noch aufbewahrte. Um so früher würde es sich zeigen, was er im Schilde führte - oder vielmehr die schwedischen Herren, die seine Ratgeber seien. Das Volk würde bestätigen müssen, daß Erlend trotz allem klargesehen habe. Norwegen würde es teuer zu stehen kommen, wenn König Magnus versuchte, Skaane unter die schwedische Krone zu bringen - und es würde zum Krieg mit den Dänen führen, im selben Augenblick, in dem ein Mann, Däne oder Deutscher, die Macht dort im Land erhielte. Und der Frieden im Norden, der für zehn Jahre geschlossen worden sei - jetzt sei die halbe Zeit vergangen, und es wäre ungewiß, ob die Russen sich noch einmal ebensolange an die Abmachung halten würden. Er, Erlend, glaube nicht recht daran - und das tue auch Erling nicht. Nein, der Kanzler Paal sei zwar ein gelehrter Mann, in vieler Beziehung auch verständig - vielleicht. Aber die Herren im Rat, die ihn zum Führer gewählt hätten, hätten alle miteinander nicht so viel Grütze im Kopf wie sein guter Gaul Ruß hier. Nun aber seien sie Erling los, einstweilen. Und einstweilen könne auch er selbst gut zur Seite treten. Aber Erling und seine Freunde würden es wohl am liebsten sehen, wenn er, Erlend, seine Macht und seinen Wohlstand hier im Norden aufrechterhielte, er wisse also nicht recht, was er tun solle.
„Mir scheint, du hast jetzt gelernt, Herrn Erlings Weise zu singen“, konnte Simon Darre sich nicht enthalten zu sagen.
Erlend erwiderte, ja,'so sei es. Er habe im vergangenen Sommer, bei seinem Aufenthalt in Björgvin, auf Herrn Erlings Hof gewohnt und habe nun gelernt, den Mann besser zu verstehen. Vor allem sei es Erling darum zu tun, den Landfrieden aufrechtzuerhalten. Aber er wolle, daß Norwegens Macht den Frieden des Löwen habe - das heiße, keiner dürfe dem Löwen König Haakons einen Zahn ausbrechen oder die Krallen beschneiden, auch solle der Löwe nicht mehr dazu abgerichtet werden, für ein anderes Volk den Jagdhund zu machen. Im übrigen liege es nun Erling am Herzen, den alten Zwistigkeiten zwischen den Norwegern und Frau Ingebjörg ein Ende zu machen. Nun, da sie Witwe sei, könne man nur wünschen, daß sie wiederum einige Macht über ihren Sohn gewinne. Wohl sei es richtig, sie hege so übermäßige Liebe zu den Kindern, die sie Knut Porse geboren habe, daß es den Anschein erwecke, als hätte sie ihren ältesten Sohn in gewisser Beziehung vergessen - aber es würde wohl anders werden, wenn sie wieder mit ihm zusammenträfe. Und es verhalte sich nicht so, daß Frau Ingebjörg irgendeinen Grund hätte, zu wünschen, König Magnus solle in die Unruhen in Skaane hineingezogen werden, weil seine Halbbrüder ihr Lehen dort hätten.
Simon dachte, dies höre sich so an, als sei Erlend ganz gut unterrichtet. Aber er wunderte sich über Erling Vidkunssohn -glaubte denn der frühere
Weitere Kostenlose Bücher