Kristin Lavranstochter 1
dann ging er zu dem Platz, wo seine junge Tochter auf der Frauenbank saß. Er umfaßte Margret und hob sie aus der Bank heraus.
„Komm, meine Margret - und tanze an der Hand deines Vaters!“
Ein junger Mann trat vor und ergriff die Hand des Mädchens. „Margit hat mir versprochen, heute abend an meiner Hand zu tanzen.“ Aber Erlend hob die Tochter in seinen Armen auf und stellte sie auf seiner anderen Seite zu Boden.
„Tanz du mit deiner Frau, Haakon - ich tanzte auch nicht mit anderen zu der Zeit, da ich so jung verheiratet war wie du jetzt.“
„Ingebjörg sagt, sie könne nicht - und ich habe Haakon versprochen, bei ihm zu tanzen, Vater“, warf Margret ein.
Simon Darre wollte nicht tanzen. Eine Weile stand er bei einer alten Frau und sah zu - dann und wann streifte sein Blick Kristin. Sie stand oben am Tischende, während ihre Dienerinnen aufräumten und den Tisch abwischten, mehr zu trinken brachten und welsche Nüsse hereintrugen. Später setzte sie sich zum Kamin hin und sprach mit einem Priester, der sich unter den Gästen befand. Nach einer Weile gesellte sich Simon diesen beiden zu.
Als Erlend ein oder zwei Tänze getanzt hatte, trat er zu seiner Frau.
„Komm und tanz mit uns, Kristin“, sagte er bittend und streckte seine Hand aus.
„Ich bin müde“, erwiderte sie und blickte kurz auf.
„Bitte du sie, Simon - sie kann es nicht abschlagen, mit dir zu tanzen.“
Simon erhob sich halb von seinem Platz und streckte seine Hand aus; allein Kristin schüttelte den Kopf.
„Bitte mich nicht, Simon - ich bin so müde.“
Erlend blieb ein wenig stehen; er sah aus, als sei er ärgerlich. Dann ging er zurück zu Frau Sunniva, ergriff deren Hand in der Tanzkette, während er rief, nun könne Margit ihnen Vorsingen.
„Wer ist das, der deiner Stieftochter am nächsten tanzt?“ fragte Simon. Er dachte, daß er das Gesicht dieses Burschen nicht leiden könne - obgleich er ein stattlicher und schöner junger Mann war, mit frischem braunem Gesicht, schönen Zähnen und blitzenden Augen, die aber eng am Nasenrücken saßen, Mund und Kinn waren groß und stark, während die obere Hälfte des Gesichtes schmal war. Kristin sagte, es sei Haakon Eindridessohn von Gimsar, Sohnessohn von Tore Eindridessohn, dem Vogt im Gauldölagau. Haakon sei erst kürzlich mit der kleinen hübschen jungen Frau verheiratet .worden, die Olav, dem Richter, auf dem Schoße sitze - dieser sei ihr Pate. Simon war diese Frau aufgefallen, denn sie glich ein wenig seiner ersten Gattin, obgleich sie nicht so schön war. Als er nun erfuhr, daß auch eine gewisse Verwandtschaft bestand, ging er hin und begrüßte Ingebjörg, setzte sich und sprach mit ihr.
Nach einiger Zeit löste sich der Tanzring. Die älteren Leute hielten sich ans Trinken, aber die Jugend fuhr fort, zu singen und zu spielen. Erlend kam mit einigen älteren Männern an die Feuerstätte heran, er führte jedoch Frau Sunniva immer noch an der Hand, gleichsam gedankenlos. Die Männer setzten sich in der Nähe des Feuers hin, so daß für Frau Sunniva kein Platz mehr blieb, sie aber stand vor Erlend und verzehrte Walnüsse, die er für sie zwischen seinen Fingern knackte.
„Du bist aber doch ein unhöflicher Mann, Erlend“, sagte sie plötzlich. „Du sitzest, und ich muß vor dir stehen.“
„Setz dich“, sagte Erlend lachend und zog sie auf seinen Schoß herunter. Sie wehrte sich, lachte und rief der Hausfrau zu, ob sie sehe, wie ihr Mann mit ihr umgehe.
„Das tut Erlend, weil er gut ist“, gab Kristin lachend zur Antwort. „Nie streicht ihm meine Katze um die Beine, ohne daß er sie auf den Schoß nimmt.“
Erlend und Frau Sunniva blieben sitzen wie zuvor und ließen sich nichts anmerken, aber sie waren beide rot geworden. Er hatte den einen Arm leicht um sie gelegt, als wisse er kaum, daß sie dasitze, während er und die Herren wiederum über diese Feindschaft zwischen Erling Vidkunssohn und dem Kanzler Paal sprachen, die die Gedanken der Leute so sehr beschäftigte. Erlend sagte, Paal Baardssohn zeige nun seine Gesinnung gegen Erling oft auf eine rechte Weiberart - hier könnten sie ein Beispiel hören.
Im vergangenen Sommer war einer der jungen Söhne des Landes an den Königshof gekommen. Dieses arme Kind aus Vors war eifrig bestrebt, sich vornehme Bräuche und höfisches Wesen anzueignen, und wollte denn auch seine Rede mit schwedischen Worten ausschmücken - französisch war es früher, jetzt aber war es schwedisch; da fragte der Junge eines
Weitere Kostenlose Bücher