Kristin Lavranstochter 1
Mutterbrust gelegt zu werden. Er sollte jetzt jedoch entwöhnt werden. Erlend erwachte, knurrte böse, nahm aber den Knaben, gab ihm Milch aus einer Schüssel, die auf der Bettstufe stand, und legte ihn dann auf seiner anderen Seite wieder zurecht.
Kristin war schon wieder tief im Schlaf versunken, als sie fühlte, daß Erlend sich im Bett aufsetzte. Halbwach, fragte sie, was es gebe - mit einer Stimme, die ihr fremd war, bat er sie, still zu sein. Lautlos glitt er aus dem Bett, sie merkte, daß er sich einige Hüllen umwarf, als sie sich jedoch auf den Ellbogen aufrichtete, drückte er sie mit einer Hand wieder in die Kissen zurück, während er sich vorbeugte und sein Schwert ergriff, das zu Häupten des Bettes hing.
Leise wie ein Luchs bewegte er sich vorwärts, aber sie verstand, daß er die Stiege hinaufschlich, die zu Margrets Kammer oberhalb der Vorstube führte.
Einen Augenblick lang lag sie ganz kraftlos vor Angst da -dann setzte sie sich auf, streifte sich Hemd und Kleid über und suchte im Dunkeln nach ihren Schuhen auf dem Boden vor dem Bett.
In diesem Augenblick durchschnitt der Schrei einer Frau in der Kammer oben die Stille - man mußte ihn über den ganzen Hof hin hören können. Erlends Stimme rief ein oder zwei Worte, dann vernahm man das Klirren von aneinanderschlagenden Schwertern und das Getrampel von Füßen dort oben - dann den Laut einer Waffe, die zu Boden fiel, und Margrets Schreckensschreie.
Zusammengeduckt kniete Kristin an der Feuerstätte - schob mit den bloßen Händen die heiße Asche beiseite und blies die Glut an. Als sie ein Stück Kienholz zum Brennen gebracht hatte und es mit den bebenden Händen hochhielt, sah sie Erlend oben in der Dunkelheit; er sprang herunter, ohne der Stiege zu achten, das Schwert trug er blank in der Hand - er lief zur Türe hinaus.
Von allen Seiten sahen die Köpfe der Knaben aus der Dunkelheit hervor. Sie trat an das nördliche Bett, wo die drei Ältesten schliefen, bat sie, sich niederzulegen, und schloß die Betttüre. Ivar und Skule, die sich auf der Bank aufgesetzt hatten und ängstlich und erschrocken ins Licht blinzelten, hieß sie ins Ehebett kriechen und schloß auch sie ein. Dann zündete sie ein Licht an und ging auf den Hofplatz hinaus.
Es regnete; für einen Augenblick sah sie, während ihr Licht sich in dem glänzenden nassen Eis widerspiegelte, daß vor der Tür zum Nachbarhaus - der Reisigenstube, wo Erlends Knechte schliefen - eine Menge Leute stand. Da verlosch ihr Licht -es herrschte kurz kohlschwarze Nacht, dann aber kam ein Licht aus der Reisigenstube heraus, Ulv Haldorssohn trug es.
Er beugte sich über den dunklen Körper, der zusammengekrümmt auf dem nassen Eise lag. Kristin kniete nieder und rührte den Mann mit den Händen an - es war der junge Haakon von Gimsar, besinnungslos oder tot. Ihre Hände waren sofort voller Blut. Zusammen mit Ulv gelang es ihr, den Körper auszustrecken und umzudrehen. Das Blut strömte aus dem rechten Arm, von dem die Hand abgeschlagen war.
Unwillkürlich warf sie einen Blick dorthin, wo der Laden an der Lichtöffnung in Margrets Kammer vom Winde hin und her geschlagen wurde. Sie konnte kein Gesicht dort oben unterscheiden - aber es war auch sehr dunkel.
Während sie in den Wasserpfützen kniete und mit aller Kraft Haakons Handgelenk umklammerte, um den Blutstrahl zu hemmen, ward sie sich der Männer Erlends bewußt, die halb angekleidet ringsum standen. Dann sah sie Erlends graues, verzerrtes Gesicht, mit einem Zipfel seines Gewandes wischte er das blutige Schwert ab - er war nackt unter dem Kittel und stand mit bloßen Füßen da.
„Einer von euch - schaff mir ein Band her - und du, Björn, geh hinauf und wecke Sira Eiliv - wir müssen ihn ins Pfarrhaus hinauftragen ...“
Sie nahm den Lederriemen, der ihr gereicht wurde, und schnürte damit den Armstumpf ab. Plötzlich sagte Erlend hart und wild:
„Niemand rühre ihn an! Laßt den Mann dort liegen, wo er sich selbst hingelegt hat.“
„Du begreifst wohl, Erlend“, sagte Kristin ruhig, obgleich ihr Herz schlug, als sollte es zerspringen, „daß dies nicht geschehen kann.“
Erlend stieß das Schwert hart gegen die Erde.
„Ja - dein Fleisch und Blut ist es nicht, das mußte ich jeden Tag in all diesen Jahren fühlen.“
Kristin erhob sich vom Erdboden; leise flüsterte sie dicht bei ihm:
„Trotzdem gönne ich es ihr, daß dieses verborgen gehalten wird - wenn es möglich ist. Ihr Leute“, wandte sie sich an die Männer, die
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