Kristin Lavranstochter 1
Süden hinunter und war um die Weihnachtszeit bei König Magnus, der in diesem Jahr in Oslo saß. Erlend war verstimmt, daß er seine Frau nicht hatte bewegen können, mitzukommen, aber Kristin fühlte keinen Mut zu der beschwerlichen Winterreise und blieb auf Husaby.
Erlend kam drei Wochen nach Weihnachten zurück und brachte schöne Geschenke für seine Frau und alle Kinder mit. Kristin erhielt eine silberne Glocke,'mit der sie ihren Mägden läuten konnte; Margret bekam eine Spange aus purem Gold, denn so etwas besaß sie bisher noch nicht, obwohl sie eine Menge Schmuckstücke aus Silber und vergoldetem Metall hatte. Als aber die Frauen miteinander bei ihren Schreinen standen und diese Kostbarkeiten aufbewahren wollten, blieb etwas an Margrets Ärmel hängen. Rasch nahm es das Mädchen weg und verbarg es mit der Hand, während es zur Stiefmutter sagte:
„Das ist von meiner Mutter - darum wollte der Vater nicht, daß ich es dir zeigte.“
Aber Kristin war noch röter geworden als das Mädchen. Ihr Herz hämmerte vor Angst, aber es dünkte sie, sie müsse ein Wort mit der Jungen reden und sie warnen.
Nach einer Weile sagte sie leise und unsicher:
„Es gleicht der goldenen Spange, die Frau Helga auf Gimsar bei hohen Festlichkeiten zu tragen pflegte...“
„Ja, viel Gold ist anderem Golde ähnlich“, erwiderte das Mädchen kurz.
Kristin verschloß ihren Schrein und ließ dann die Hände darauf gestützt ruhen, damit Margret nicht sehen sollte, wie sie zitterten.
„Meine Margret“, sagte sie leise und sanft - mußte jedoch innehalten, nahm dann aber ihre ganze Kraft zusammen. „Meine Margret, ich habe bitter bereut - nie konnte ich so ganz an einer Freude teilnehmen, obgleich mein Vater mir alles, was ich gegen ihn verbrochen hatte, aus vollem Herzen vergab; du weißt, daß ich um deines Vaters willen viel gegen meine Eltern gesündigt habe. Aber je länger ich lebe und je mehr ich verstehen lerne, desto schwerer wird mir die Erinnerung daran, wie ich ihre Güte damit belohnte, daß ich ihnen Kummer bereitete. Meine Margret - dein Vater ist doch dein Leben lang gut zu dir gewesen.“
„Du brauchst keine Angst zu haben, Mutter“, erwiderte das Mädchen. „Ich bin nicht deine richtige Tochter; du brauchst keine Angst zu haben, daß ich in dein schmutziges Hemd schlüpfe oder in deine Schuhe trete ...“
Kristin wandte ihr zornsprühendes Gesicht der Stieftochter zu. Dann preßte sie die Hand hart um das Kreuz, das sie an ihrem Halse trug, und schluckte die Worte hinunter, die ihr auf der Zunge lagen.
Noch am selben Abend ging sie nach 4er Vesper zu Sira Eiliv, sie starrte vergebens nach einem Anzeichen im Gesicht des Priesters - war bereits ein Unglück geschehen, und wußte er darum? Sie erinnerte sich ihrer eigenen irregeleiteten Jugend, und sie sah Sira Eiriks Angesicht vor sich, das nichts verriet, während er zwischen ihr und ihren gutgläubigen Eltern ging, ihr sündiges Geheimnis in seinem Busen verschließend - und sie seinen ernsten Drohungen und Warnungen gegenüber stumm und verhärtet blieb. Und sie erinnerte sich, wie sie selbst ihrer Mutter Erlends Gaben zeigte, die er ihr in Oslo geschenkt hatte - das war, nachdem sie nach Recht und Brauch mit ihm verlobt war. Die Miene der Mutter blieb unerschütterlich ruhig, als sie die Sachen in die Hand nahm, eine nach der anderen, sie ansah, lobte und weglegte.
Sie war voller Angst und Verzweiflung und hütete Margret nach besten Kräften. Erlend merkte, daß seiner Frau etwas fehlte, und eines Abends, als sie sich schlafen gelegt hatten, fragte er sie nach dem Grund und ob sie wieder ein Kind erwarte.
Kristin ließ eine Weile verstreichen, ehe sie antwortete, daß sie das glaube. Und als der Mann sie liebevoll in seinen Ann nahm und nicht mehr fragte, brachte sie es nicht über sich zu sagen, daß es etwas anderes sei, was so schwer auf ihr laste. Aber als Erlend ihr zuflüsterte, sie solle sich diesmal Mühe geben und ihm eine Tochter schenken, vermochte sie nicht zu antworten, sondern lag steif vor Angst da und dachte, Erlend würde noch frühzeitig genug erfahren, welche Freude ein Mann an seinen Töchtern hatte.
Einige Nächte später waren die Leute auf Husaby ein wenig betrunken und mit übervollem Magen zu Bett gegangen, denn es war in den letzten Tagen vor Beginn der Fastenzeit, sie schliefen deshalb schwer. Aber im Laufe der Nacht erwachte der kleine Lavrans im Bett seiner Eltern, schrie und gebärdete sich im Halbschlaf, um an die
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