Kristin Lavranstochter 1
hellblau, und seine Stimme war schwach und hilflos. „Trotzdem, meine Kristin, scheint es mir zwischen uns beiden nicht so zu stehen, daß wir einander unfreundliche und bissige Worte sagen.“
„Nein“, erwiderte Kristin, „es schnitt mir auch noch ärger ins Herz, damals, bei unserem Weihnachtsgelage, als du mich ausschaltest, weil ich Margret meinen Umhang übergeworfen hatte - und Frauen aus drei Gauen dabeistanden und zuhörten.“ Erlend gab keine Antwort.
„Trotzdem legst du es mir zur Last, daß es mit Margret so ging, wie es gegangen ist; jedesmal, wenn ich mit einem Wort versuchte, sie zu erziehen, lief sie zu dir, und du gebotest mir mit unfreundlicher Rede, das Mädchen in Frieden zu lassen -sie gehöre dir und nicht mir.“
„Dir zur Last gelegt - habe ich es nicht!“ entgegnete Erlend mühsam. Er kämpfte schwer, um ruhig zu sprechen. „Wäre eines unserer Kinder eine Tochter gewesen, so hättest du wohl leichter verstanden, daß so etwas wie diese Sache mit meiner Tochter - dem Vater bis aufs Mark dringt.“
„Ich glaubte, ich hätte dir im Frühling des vergangenen Jahres bewiesen, daß ich dies begriff“, sagte sein Weib leise. „Ich brauchte wohl nur an meinen eigenen Vater zu denken.“
„Trotzdem“, fuhr Erlend ruhig fort wie vorher, „war dies noch schlimmer. Ich war ein unverheirateter Bursche. Jener Mann - war verheiratet. Ich war nicht gebunden - ich war nicht so gebunden“, verbesserte er sich selbst, „daß ich nicht hätte frei werden können.“
„Und trotzdem machtest du dich nicht frei“, sagte Kristin. „Erinnerst du dich, wie es zuging, daß du frei wurdest?“
Erlend sprang auf und schlug sie ins Gesicht. Danach stand er entsetzt da und blickte starr vor sich hin - es entstand ein rotes Mal auf der weißen Wange. Kristin aber saß steif und still und mit harten Augen da. Das Kind hatte angefangen, erschrocken zu weinen - sie wiegte es ein wenig im Schoß hin und her und beruhigte es.
„Das - das war häßlich gesagt, Kristin“, sagte der Mann unsicher.
„Als du mich das letztemal schlugst“, sprach sie leise, „trug ich dein Kind unter meinem Herzen. Jetzt hast du mich geschlagen, während ich dein Kind auf dem Schoß halte.“
„Ja, wir bekommen ja auch nichts als Kinder“, schrie er ungeduldig.
Sie schwiegen. Erlend begann, rasch auf und ab zu gehen. Sie trug das Kind in den Nebenraum und legte es ins Bett; als sie wieder unter die Türe trat, blieb er vor ihr stehen.
„Ich - ich hätte dich nicht schlagen sollen, meine Kristin. Ich wollte, ich hätte es nicht getan; ich werde dies wohl ebensolange bereuen, wie ich es das vergangene Mal bereute. Du aber - du hast mich schon einmal hören lassen, daß dich dünke, ich vergesse so allzu leicht. Du vergissest nichts - kein Unrecht, das ich je dir zugefügt habe. Ich habe doch versucht - versucht, dir ein guter Gemahl zu sein, aber es dünkt dich wohl nicht wert, dich dessen zu erinnern. Du - du bist schön, Kristin.. " Er sah ihr nach, als sie an ihm vorbeiging.
Ach, das stille und würdige Gebaren der Hausfrau war ebenso schön wie der zarte Liebreiz des jungen Mädchens, sie war breiter über Brust und Hüften, aber sie war auch größer; sie hielt sich gerade, und der Hals trug den kleinen runden Kopf noch ebenso schön und stolz. Das bleiche verschlossene Antlitz mit den großen dunkelgrauen Augen reizte und erregte ihn noch ebensosehr, wie das runde rosenrote Kindergesicht seinen unruhigen Sinn durch die seltsame Ruhe gereizt und erregt hatte. Er ging hin und ergriff ihre Hand.
„Für mich, Kristin, bleibst du stets die schönste aller Frauen und die liebste.“
Sie überließ ihm ihre Hand, erwiderte jedoch den Druck nicht. Und er schleuderte sie von sich; die Heftigkeit gewann wieder Gewalt über ihn.
„Du sagst, ich vergesse. Vergessen - ist wohl nicht immer die größte Sünde. Ich habe mich nie als ein frommer Mann gebärdet, aber ich weiß noch alles, was ich als Kind von Sira Jon gelernt habe, und die Diener Gottes haben es mir auch später ins Gedächtnis gebracht. Eine Sünde ist es, über jene Sünden zu brüten und sie nicht zu vergessen, die wir dem Priester gebeichtet, die wir vor Gott gebüßt haben und für die wir aus Hand und Mund des Priesters Vergebung erlangt haben. Und es geschieht nicht aus Frömmigkeit, Kristin, daß du stets diese unsere alten Sünden wieder aufreißest, sondern du willst mir das Messer zeigen, sooft ich nicht nach deinem Willen handle.“
Er
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