Kristin Lavranstochter 1
ging von ihr fort und kam wieder zurück.
„Herrschsüchtig... Gott weiß, daß ich dich liebe, Kristin -obgleich ich sehe, daß du herrschsüchtig bist, und obgleich du mir nie vergeben hast, daß ich unrecht an dir gehandelt und dich zu Unrecht verleitet habe. Ich habe viel von dir ertragen, Kristin, aber ich will es nicht mehr ertragen, daß ich nie Frieden haben soll vor diesen alten unglückseligen Dingen, und ich will es nicht dulden, daß du mit mir sprichst, als sei ich dein Knecht.“
Kristin bebte vor Erregung, als sie antwortete:
„Ich habe nicht mit dir gesprochen, als seist du ein Knecht. Hast du mich je einmal hart oder heftig zu einem Menschen reden hören, den man für einen geringeren ansehen konnte als mich - und wäre es auch der untüchtigste und schlechteste unter unserem Gesinde gewesen; ich weiß mich vor Gott frei von der Sünde, die Armen mit Worten oder Taten gekränkt zu haben. Du aber solltest mein Herr sein, dir sollte ich gehorchen, und dich sollte ich ehren, sollte mich vor dir beugen und mich auf dich stützen, nächst Gott - nach Gottes Gesetz, Erlend! Und habe ich die Geduld verloren, und habe ich so zu dir gesprochen, wie es einem Weibe nicht geziemt, mit seinem Gemahl zu sprechen, so war dies wohl darum, weil du es mir so oft schwer machtest, meinen Unverstand unter dein besseres Wissen zu beugen, meinen Gemahl und Herrn so zu ehren und ihm. so zu gehorchen, wie ich selbst am liebsten wollte, und vielleicht mag es sein, daß ich erwartete, du - vielleicht, daß ich glaubte, ich könnte dich dazu aufreizen, zu zeigen, du seist der Mann und ich nur ein armes Weib. - Aber tröste dich, Erlend. Ich werde dich nicht mehr mit Worten kränken, und von diesem Tage an werde ich nie vergessen, dich so sanft anzureden, als hättest du Knechtsblut in dir.“
Erlend war dunkelrot im Gesicht geworden, er erhob die geballte Faust gegen sie - dann wandte er sich jäh auf dem Absatz um, nahm Umhang und Schwert von der Bank bei der Türe und stürzte hinaus.
Draußen war Sonnenschein, und es wehte ein scharfer Wind -die Luft war kalt, von den Dächern und den windgeschüttelten Baumkronen sprühten ihm blanke Funken von gefrorenen Tropfen entgegen. Der Schnee auf den Hausdächern leuchtete wie Silber, und hinter den schwarzgrünen Waldhängen rings um die Stadt glitzerten die Berge in dem scharfen und strahlenden Winterfrühlingstag, kaltblau und leuchtend weiß.
Erlend lief durch die Straßen und Gassen - rasch, aufs Ge-ratewohl. In ihm kochte es: sie hatte unrecht gehabt, von Anfang an ganz sonnenklar unrecht, und er hatte recht gehabt, und er hatte sich verrannt und sie geschlagen und sein Recht verringert - aber sie hatte unrecht. Was er nun mit sich anfangen sollte, wußte er nicht. Er fühlte keine Lust, irgendwelche Bekannte aufzusuchen, und heimgehen wollte er auch nicht.
In der Stadt war es ziemlich lebhaft. Ein großes Frachtschiff von Island - das erste in diesem Frühjahr - war am Vormittag eingelaufen. Erlend trieb sich im Westen in den Straßen herum und kam bei der Marteinskirche heraus, er begab sich zu den Bollwerken hinunter. Aus den Schenken und aus den Herbergen drang bereits Lärm und Schreien, obwohl es noch früh am Nachmittag war. In seiner Jugend war er selbst oft in solche Häuser gegangen - mit Freunden und Genossen. Jetzt aber würden sich die Leute die Augen aus den Köpfen starren und sich das Maul darüber zerreißen, wenn der Vogt im Orkdölagau, der in der Stadt ein Haus besaß und daheim Überfluß an Bier und Met hatte, in eine Schenke träte und einen Trunk ihres schlechten Bieres verlangte. Tatsächlich aber hatte er hierauf am meisten Lust - dazusitzen und mit den Kleinbauern zu trinken, die in die Stadt gekommen waren, und mit Dienstknechten und Seeleuten. Bei denen gab es keinen Aufruhr, wenn der Mann seiner Frau eins hinter die Ohren gab, die waren gut daran - zur roten Hölle, wie sollte ein Mann mit einer Frau fertig werden, wenn er sie ihrer Geburt und der eigenen Ehre wegen nicht verprügeln durfte; einen Wortstreit mit einer Frau konnte nicht einmal der Teufel selber ausfechten. Eine Hexe war sie - und so schön hätte er sie doch so lange schlagen können, bis sie wieder gut war...
Von allen Kirchen begannen die Glocken die Leute zur Vesper herbeizurufen; der Frühlingswind trug die Töne in einem Brausen über ihn in die unruhige Luft hinaus. Sie ging jetzt wohl in die Christkirche, die heilige Hexe - würde es Gott und der Jungfrau Maria und
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