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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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Kristin oben am Hang nördlich der Häuser.
    Noch nie hatte sie den Himmel so rot und golden gesehen. Über dem Höhenrücken gerade gegenüber lag eine große Wolke; sie war wie eine Vogelschwinge geformt. Es glühte in ihr wie Eisen auf der Herdstätte, es leuchtete klar wie Bernstein. Kleine goldene Fetzen wie Federn lösten sich los und schwammen in die Luft hinaus. Und tief unten im See, auf dem Grund des Tales, spiegelten sich Himmel und Wolken und
    Berge wider - es war, als quelle der Feuerschein aus der Tiefe dort unten herauf und lege sich über alles, was sie sah.
    Das Gras auf den Wiesen war ausgewachsen, und die Seidenschwänze der Halme schimmerten dunkelrot unter dem roten Licht des Himmels; die Gerste war in die Ähren geschossen, und diese fingen den Schein auf jungen, seidenglänzenden Haaren auf. Die Dächer der Hofgebäude bogen sich unter der Last von Sauerampfer und Butterblumen, die auf den Dachwasen wuchsen, und die Sonne lag in breiten Strahlen darüber, die schwarzen Schindeln auf dem Kirchendach erglühten dunkel, und die hellen Steine der Mauer wurden sanft vergoldet.
    Die Sonne brach unter der Wolke durch, lag auf dem Rande des Höhenzuges und beleuchtete Waldrücken an Waldrücken, weit hinaus. Es war ein so klarer Abend - das Licht ließ kleine Höfe zwischen den bewaldeten Höhen erkennen, Kristin konnte Almen und Einöden in den Wäldern unterscheiden, von denen sie früher nie gewußt hatte, daß man sie von Husaby aus sehen konnte. Mächtige Bergleiber stiegen im Süden gegen Dovre zu auf, rotviolett, dort, wo sonst stets Nebel und Wolken zu lagern pflegten.
    Die kleinste Glocke der Kirche unten begann zu läuten, und die Kirchenglocke auf Vinjar gab Antwort. Kristin saß über ihre zusammengelegten Hände gebeugt, bis der letzte der dreimal drei Schläge in der Luft verklungen war.
    Jetzt war die Sonne hinter dem Bergrücken, der Goldglanz verblich, und die Röte wurde mehr rosenrot und sanft. Nachdem die Glocken verklungen waren, wuchs das Rauschen des Waldes an und breitete sich wieder über alles; das Rieseln des kleinen Baches im Laubwald unten im Tal drang stärker herauf. Von dem nahe gelegenen Weideplatz vernahm man das bekannte Klingeln der Viehglocken, ein Käfer surrte ein halbes Mal um sie herum und verschwand.
    Sie sandte ihren Gebeten einen letzten Seufzer nach - eine Bitte um Verzeihung, weil ihre Gedanken während des Gebetes nicht gesammelt gewesen waren.
    Der schöne große Hof lag unter ihr am Hang - wie ein Schmuckstück an dem breiten Busen des Berges. Sie sah über all das Land hin, das sie mit ihrem Gatten besessen hatte. Die Gedanken an dieses Gut, die Sorgen dafür hatten ihre Seele bis an den Rand erfüllt. Sie hatte gearbeitet und gekämpft, bis heute abend war es ihr selbst nicht bewußt geworden, wie sehr sie gekämpft hatte, um den Hof in die Höhe zu bringen und dort zu erhalten, war es ihr nicht bewußt geworden, was sie zuwege gebracht und wieviel sie erreicht hatte.
    Sie hatte es als ihr Teil auf sich genommen, das sie geduldig und mit aufrechtem Rücken tragen mußte, daß dies alles auf ihr ruhte. Sie hatte sich bemüht, geduldig zu sein und sich unter dem, was ihr das Leben auferlegte, aufrecht zu halten, sooft sie fühlte, daß sie nun wieder ein Kind unter dem Herzen tragen mußte - wieder und wieder. Mit jedem Sohn, der die Schar vermehrte, hatte sie gefühlt, wie ihre Verantwortung für das Gedeihen und die gesicherte Stellung der Sippe wuchs; sie sah heute abend, daß auch ihre Fähigkeit, das Ganze zu überblicken, daß auch ihre Wachsamkeit mit jedem Kinde zugenommen hatte, für das sie wachen mußte. Nie hatte sie so klar gesehen wie an diesem Abend, was das Schicksal von ihr gefordert und was es ihr mit diesen sieben Söhnen geschenkt hatte. Immer und immer wieder hatte die Freude über sie den Schlag ihres Herzens beschleunigt, die Angst um ihretwillen es zerrissen - sie waren ihre Kinder, diese großen Burschen mit den mageren, eckigen Knabenleibern, wie sie es gewesen waren, als sie so klein und rund waren, daß sie sich kaum weh tun konnten, wenn sie auf ihren Fahrten zwischen der Bank und den Knien der Mutter hinpurzelten. Es waren die ihren, wie sie es in jener Zeit gewesen waren, da sie sie aus der Wiege heraushob und an ihre Brust legte und den Kopf stützen mußte, der auf dem zarten Hals wie eine Glockenblume hin und her nickte. Wohin sie auch in der Welt wandern, wo sie auch gehen und ihre Mutter vergessen würden - ihr war es,

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