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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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spannte sich hell und grün über die Bergkämme. Es war bald die Stunde, da der Mond aufgehen sollte, und dort, wo er hinter dem Berge stand, zogen einige kleine Wolken, und ihr unterer Rand schimmerte wie Silber; der Himmel wurde heller und heller, wurde wie Metall, auf dem Tau liegt.
    Sie lief zwischen den Zäunen dahin, den Weg entlang und den Hügel zur Kirche hinauf, diese schlief, schwarz und verschlossen, aber Kristin ging zum Kreuz hin, das gleich daneben stand, zum Gedächtnis daran, daß Sankt Olav hier einmal auf der Flucht vor seinen Feinden gerastet hatte.
    Kristin kniete auf dem Stein nieder und legte ihre gefalteten Hände auf die Fußstütze am Kreuz. „Heiliges Kreuz, stärkster Mast, holdester Stamm, Brücke der Kranken zu den lieblichen Ufern der Gesundheit...“
    Bei den Worten des Gebetes war es, als dehne sich ihre Sehnsucht aus, wie Ringe auf dem Wasser sich dehnen, die einzelnen Gedanken, die sie beunruhigten, glätteten sich, ihr Sinn wurde stiller, weicher, es trat eine milde gedankenleere Traurigkeit an die Stelle ihrer Sorgen.
    Sie blieb auf den Knien liegen und vernahm alle Laute der Nacht. Der Wind seufzte so seltsam, der Fluß rauschte jenseits der Bäume hinter der Kirche, und der Bach rann gleich neben ihr quer über den Weg - und überall, nahe und ferne im Dunkel, erkannte sie mit Gesicht und Gehör kleine Rinnsale fließenden und rieselnden Wassers. Der Fluß blinkte weiß unten im Tale. Der Mond glitt über einem kleinen Einschnitt herauf, es glitzerte ein wenig auf den taunassen Blättern und Steinen und leuchtete matt und dunkel auf dem frischgeteerten Gebälk des Glockenstuhles neben dem Kirchhofzaun. Dann verschwand der Mond wieder, dort, wo der Berg seinen Rücken emporschob. Jetzt waren viele weiße und leuchtende Wolken am Himmel.
    Sie hörte den langsamen Schritt eines Pferdes weiter oben auf dem Wege, Männerstimmen sprachen eintönig und leise. Hier daheim, wo sie jeden Menschen kannte, hatte sie keine Angst vor Leuten; sie fühlte sich sicher.
    Die Hunde des Vaters stürmten auf sie zu, wendeten und rasten zurück zwischen die Bäume, kehrten wieder um und rannten zu ihr hin, und der Vater rief ihr einen Gruß zu, als er zwischen den Birken hervorkam. Er führte Guldsvein am Zaume; am Sattel baumelte ein Bündel Vögel, und auf der linken Hand trug Lavrans den Falken mit der Kappe über dem Kopf. Mit ihm kam ein langer gebeugter Mann in der Mönchskutte, und noch ehe Kristin sein Gesicht gesehen hatte, wußte sie, daß es Bruder Edvin war. Sie ging ihnen entgegen und war so wenig erstaunt, als hätte sie es geträumt; sie lächelte nur, als Lavrans sie fragte, ob sie ihren Gast wiedererkenne.
    Lavrans hatte ihn oben bei der Rostbrücke getroffen; er hatte ihn überredet, mit ihm heimzukommen und auf dem Hof zu übernachten. Aber Bruder Edvin wollte unbedingt im Kuhstall liegen dürfen. „Denn ich bin so verlaust“, sagte er, „ihr dürft mich nicht in eure guten Betten legen.“
    Und wie auch Lavrans bat und redete, der Mönch beharrte auf seinem Willen, ja zuerst wollte er auch, daß man ihm das Essen draußen auf dem Hofplatz gäbe. Schließlich ging er doch mit ihnen in die Stube hinein, und Kristin legte Holz auf die Feuerstätte in der Ecke und stellte Kerzen auf den Tisch, während eine Magd Essen und Trinken hereintrug.
    Der Mönch setzte sich auf die Bettlerbank bei der Türe, und er wollte nur kalte Grütze und Wasser zum Nachtmahl haben.
    Auch als Lavrans ihm anbot, ihm ein Bad bereiten und seine Kleider waschen zu lassen, wollte er dies nicht annehmen.
    Bruder Edvin scheuerte und kratzte sich und lachte über sein ganzes mageres altes Gesicht.
    „Nein, nein“, sagte er, „das beißt mein hochmütiges Fell besser als Peitschen und als die Worte des Guardians. Ich habe heuer den Sommer unter einem Felsen hier oben im Gebirge zugebracht - man hat mir erlaubt, in die Wüste hinauszugehen, um zu fasten und zu beten, und da saß ich denn da oben, und mich dünkte, nun sei ich ganz wie ein heiliger Eremit. Die armen Leute drüben im Setnatal kamen mit Essen zu mir herauf und meinten, hier sähen sie einen recht frommen und reinen Mönch. ,Bruder Edvin“, sagten sie, ,gäbe es viele solcher Mönche wie dich, da wollten wir rasch uns bessern, aber wenn wir sehen, wie sich Priester und Bischöfe und Mönche beißen und schlagen wie die Ferkel am Trog...‘ Nun, ich sagte ihnen, es sei unchristlich, so zu reden - aber ich hörte es doch gerne, und ich sang und

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