Kristin Lavranstochter 1
alles zum besten wenden würde. Und es war schön von Simon, ihr ein solches Geschenk zu senden, noch ehe das Verspruchsfest zwischen ihnen gefeiert worden war. An Arne wollte sie jetzt nicht denken - er hatte sich nicht richtig gegen sie betragen, so dünkte sie.
Bruder Edvin ergriff Stab und Sack und bat Kristin, drinnen in der Stube zu grüßen - er wollte nicht bleiben, bis die Leute aufstanden, sondern noch gehen, solange der Tag kühl war. Sie begleitete ihn bis über die Kirche hinaus und ein wenig in den Wald hinein.
Als sie voneinander Abschied nahmen, entbot er ihr Gottes Frieden und segnete sie.
„Gebt mir ein Wort, wie Ihr Ulvhild eines gabt, lieber Vater“, bat Kristin; sie stand da und hielt seine Hand.
Der Mönch strich mit seinem nackten, von Gicht gekrümmten Fuß durch das nasse Gras.
„Da will ich dir ans Herz legen, Tochter, daß du gut Zusehen mögest, wie Gott den Menschen hier im Tale alles zum besten wendet. Hier fällt wenig Regen, aber er hat euch Wasser vom Berge gegeben, das ihr auf eure Felder leitet, und der Tau erfrischt Wiesen und Äcker jede Nacht. Danke Gott für die guten Gaben, die er dir verliehen hat, und klage nicht, wenn dich dünkt, dir fehle etwas anderes, was du gerne haben möchtest. Du hast schönes blondes Haar, gräme dich nicht darüber, daß es nicht gekräuselt ist. Hast du nicht von dem Weib gehört, das weinte, weil sie nur ein kleines Stückchen Speck für ihre sieben hungrigen Kinder als Weihnachtsmahl hatte? Sankt Olav kam gerade vorbeigeritten; da hielt er seine Hand über die Schüssel und bat Gott, die armen jungen Würmer zu sättigen. Aber als das Weib sah, daß ein geschlachtetes Schwein auf dem Tisch lag, da weinte sie, weil sie nicht genug Schüsseln und Töpfe hatte.“ Kristin lief heim, und Kortelin tanzte um ihre Füße herum, schnappte kläffend nach einem Zipfel ihres Kleides und klingelte mit allen seinen kleinen Silberglöckchen.
6
Arne war die letzte Zeit, bevor er nach Hamar sollte, daheim auf Finsbrekken; die Mutter und die Schwestern rüsteten ihn mit Kleidern aus.
An dem Tag, ehe er nach Süden reiten sollte, kam er nach Jörundhof und nahm Abschied. Dabei konnte er Kristin zuflüstern, ob sie ihn am nächsten Abend südlich von Laugarbru auf dem Weg treffen wolle.
„Ich möchte doch gerne, daß wir beide allein sind, wenn wir uns zum letzten Male sehen“, meinte er. „Dünkt es dich sehr viel, worum ich dich bitte - wir sind doch wie Geschwister aufgewachsen?“ sagte er, als Kristin ein wenig zögerte, ehe sie antwortete.
Da versprach sie zu kommen, wenn sie von daheim Weggehen könnte.
Am nächsten Morgen schneite es, aber im Lauf des Tages fing es an zu regnen, und bald waren Wege und Äcker naß und aufgeweicht. Die Nebelfetzen trieben zwischen den Höhenzügen, ab und zu sanken sie herab und ballten sich zu weißen Büscheln am Fuß der Berge zusammen, dann wurde das Wetter wieder schlechter.
Sira Eirik kam, um Lavrans beim Aufsetzen einiger Briefschaften zu helfen. Sie gingen in das Küchenhaus hinunter, denn dort war es bei solchem Wetter behaglicher als in der Großstube, wo das Feuer den Raum mit Rauch erfüllte. Die Mutter war auf Laugarbru bei Ramborg, die im Herbst eine Fieberkrankheit durchgemacht hatte und sich jetzt auf dem Weg der Besserung befand.
So war es nicht schwer für Kristin, ungesehen vom Hof wegzukommen, aber sie wagte nicht, das Pferd zu nehmen, sondern ging zu Fuß. Geschmolzener Schnee und welkes Laub hatten die Wege in einen Morast verwandelt; es roch traurig feucht und kalt und faulig, ab und zu kam ein Windstoß und trieb ihr die Nässe mitten ins Gesicht. Sie zog die Haube gut über den Kopf, hielt den Umhang mit beiden Händen um sich fest, ging rasch vorwärts. Ein wenig ängstlich war sie - man hörte den Fluß in der schweren Luft so dumpf rauschen, und die Wolken trieben schwarz und zerrissen über die Bergkämme hin. Dann und wann blieb sie stehen und lauschte zurück, ob sie Arne hören könnte.
Nach einer Weile vernahm sie Hufschlag auf dem aufgeweichten Weg und blieb stehen, denn sie war an einer ziemlich öden Stelle, und sie dachte, hier könnten sie einander ungestört Lebewohl sagen. Gleich darauf sah sie den Reiter hinter sich, Arne sprang ab und kam, das Pferd am Zügel führend, auf sie zu.
„Es ist schön von dir, daß du gekommen bist“, sagte er, „bei diesem häßlichen Wetter.“
„Es ist schlimmer für dich, der einen so weiten Weg reiten muß - und wie spät
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