Kristin Lavranstochter 1
Grund zu unserem Haus geschenkt, aber wir waren nicht reich, wir mußten selbst an unserer Kirche arbeiten - mit ein paar Arbeitern, die uns mehr um Himmels Lohn als um das, was wir ihnen bezahlen konnten, an die Hand gingen. Vielleicht war es Hochmut von uns Bettelmönchen, daß wir unsere Kirche so prächtig bauen wollten - aber wir waren so froh wie die Kinder auf der Wiese und sangen Lobgesänge, während wir hämmerten und mauerten und schafften. Gott segne Bruder Ranulv, er war der Baumeister, er war ein kunstfertiger Steinmetz, ich glaube, Gott selber hatte diesem Mann Begabung für alle Wissenschaften und Künste verliehen. Ich meißelte damals Bilder in Stein, eines hatte ich gerade fertiggemacht, von Sankta Clara, die die Engel um die Weihnachtsmesse zur Sankt-Franziskus-Kirche führten; es wäre schön geworden, wir freuten uns alle darüber - da rissen diese Teufelsschurken die Mauern ein, und die Steine fielen herab und zerbrachen meine Tafeln, ich schlug mit dem Hammer auf einen der Männer ein, ich konnte mich nicht beherrschen.
Ja, nun lächelst du, du, Kristin. Aber verstehst du nicht, daß es schlecht um dich bestellt ist, denn du liebst jetzt mehr, von der Schwäche anderer Menschen zu hören als von dem Wandel guter Menschen, die dir zum Vorbild dienen könnten!
Es ist nicht leicht, dir zu raten“, sagte er, als sie gehen mußte, „denn würdest du das tun, was am richtigsten ist, da würdest du zur Trauer deiner Eltern und zur Schande deiner ganzen Sippe werden. Aber du mußt danach trachten, von deinem an Simon Andressohn gegebenen Wort gelöst zu werden, und dann mußt du geduldig auf das Glück warten, das Gott schicken wird, und Buße tun in deinem Herzen, so gut du vermagst - und laß dich nicht von diesem Erlend in Versuchung führen, noch öfters zu sündigen, sondern bitte ihn herzlich, daß er sich mit deinen Verwandten und mit Gott aussöhnen möge.
Dich von deiner Sünde lösen kann ich nicht“, sagte Bruder Edvin, als sie sich trennten, „aber für dich beten werde ich aus aller meiner Kraft.“
Dann legte er seine dünnen alten Hände auf ihren Scheitel und sprach Gebete des Segens und des Friedens über ihr zum Abschied.
6
Kristin konnte sich später bei weitem nicht mehr an alles erinnern, was Bruder Edvin zu ihr gesagt hatte. Aber sie verließ ihn mit einem seltsam klaren und ruhigen Frieden in sich.
Vorher hatte sie gegen eine dumpfe und heimliche Furcht gekämpft und zu trotzen versucht: sie habe nicht so schwer gesündigt. Nun dünkte es sie, Edvin habe ihr deutlich und Klar gezeigt, daß sie doch gesündigt hatte; so und so sahen ihre Sünden aus, und sie mußte sie nun auf sich nehmen und versuchen, sie geduldig und ruhig zu tragen. Sie bemühte sich, an Erlend zu denken, ohne ungeduldig zu sein - weder darüber, daß er nichts mehr von sich hören ließ, noch darüber, daß sie seine Liebkosungen entbehren mußte. Sie wollte nur treu und voller Güte zu ihm sein. Sie dachte an ihre Eltern und gelobte sich, ihnen alle ihre Liebe zu vergelten, wenn sie erst einmal den Kummer überwunden haben würden, den sie ihnen durch den Bruch mit den Leuten auf Dyfrin bereiten würde. Und sie dachte fast am meisten an die Worte, daß sie nicht ihren Trost darin suchen solle, die Fehler der anderen zu sehen; sie fühlte, wie sie demütig und freundlich wurde, und sah bald, wie leicht es ihr fiel, die Freundschaft der Menschen zu gewinnen. Da dachte sie gleich getröstet, daß es doch nicht so schwer sei, mit den Menschen zurechtzukommen - und da schien es ihr, daß es wohl auch für sie und Erlend nicht so schwer werden könne.
Bis zu jenem Tag, an dem sie Erlend ihr Wort gab, war sie immer bestrebt gewesen, gut und recht zu handeln - aber sie hatte stets auf Geheiß anderer gehandelt. Nun fühlte sie selbst, daß sie vom Mädchen zum Weib herangewachsen war. Dies bedeutete mehr als die heißen, heimlichen Liebkosungen, die sie geschenkt und empfangen hatte, es war mehr als das, daß sie sich der Macht ihres Vaters entzogen und unter Erlends Willen gegeben hatte. Edvin hatte ihr die Bürde auferlegt, ihr Leben nun selbst verantworten zu müssen, ja und auch das Erlends. Und sie war bereit, diese Bürde schön und mutig zu tragen. So ging sie nun in den Weihnachtstagen zwischen den Nonnen umher, und während der schönen Gottesdienste und der Freude und dem Frieden fühlte sie sich zwar unwürdig, aber sie tröstete sich damit, daß die Zeit bald kommen würde, da sie ihr Tun
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