Kristin Lavranstochter 1
einen Nebel hinaus, so dicht, daß sie nur ein paar Schritte weit zwischen den Bäumen hindurchsehen konnten. Die nächststehenden Stämme waren kohlschwarz; die Feuchtigkeit stand in Perlen an jedem Zweig und Ast. Es war ein wenig Neuschnee gefallen, der auf der feuchten Erde schmolz, aber unter den Büschen blühten schon einige kleine weiße und gelbe Zwiebelgewächse, und es stieg ein frischer und kühler Geruch von den Veilchenblättern auf.
Simon führte sie zur nächsten Bank. Er saß ein wenig vornübergebeugt, die Ellbogen hatte er auf seine Knie gestützt. Dann blickte er mit einem seltsamen kleinen Lächeln zu ihr auf.
„Ich glaube fast, ich weiß, was du mir sagen willst“, sagte er. „Es gibt einen anderen Mann, dem du Besseres gönnest als mir?“ „So ist es“, antwortete Kristin leise.
„Ich denke auch, ich weiß seinen Namen“, fuhr Simon fort, härter in der Stimme. „Es ist Erlend Nikulaussohn von Husaby?“
Nach einer Weile fragte Kristin leise:
„Es ist dir also zu Ohren gekommen?“
Simon zögerte ein wenig, ehe er antwortete:
„Du glaubst doch wohl nicht, ich sei so dumm, daß ich nichts begriffen hätte, als wir an Weihnachten zusammen wa-ren? Damals konnte ich nichts sagen, weil Vater und Mutter dabei waren. Aber dies ist der Grund, warum ich diesmal allein hierhergeritten bin. Nicht weiß ich, ob es klug von mir ist, daran zu rühren - aber mich dünkt, wir müßten über diese Dinge reden, ehe wir zusammengegeben werden.
Nun aber verhält es sich so, daß ich, als ich gestern hierherkam, meinen Verwandten Meister Öistein traf. Und er sprach von dir. Er sagte, er habe dich eines Abends über den Klemenskirchhof gehen sehen, du seist mit einer Frau zusammen gewesen, die sie Brynhild Fluga nennen. Ich schwur einen heiligen Eid darauf, daß er sich getäuscht haben müsse. Und wenn du sagst, daß es unwahr ist, dann werde ich deinem Wort glauben.“ „Der Priester sah richtig“, antwortete Kristin trotzig. „Du hast da falsch geschworen, Simon.“
Er saß einige Zeit da, ehe er fragte:
„Weißt du, wer diese Brynhild Fluga ist, Kristin?“ Als sie den Kopf schüttelte, sagte er: „Munan Baardssohn setzte sie in ein Haus hier in der Stadt, als er sich verheiratete - dort betreibt sie unerlaubten Weinausschank und ähnliches...“
„Kennst du sie?“ fragte Kristin spöttisch.
„Ich war nie zum Mönch oder Priester bestimmt“, sagte Simon und wurde rot. „Aber ich weiß mich doch frei von Unrecht gegen Jungfrauen und anderer Männer Frauen. Verstehst du nicht selbst, daß es nicht das Gebaren eines ehrenhaften Mannes ist, dich am Abend in solcher Begleitung auf die Straße gehen zu lassen.“
„Erlend hat mich nicht verlockt“, sagte Kristin rot und zornig, „und nichts hat er mir versprochen. Mein Herz wandte sich ihm zu, ohne daß er mich in Versuchung geführt hatte - ich gewann ihn lieber als alle Männer, das erste Mal, da ich ihn sah.“ Simon saß da und spielte mit seinem Dolch, warf ihn von einer Hand in die andere.
„Dies sind merkwürdige Worte aus dem Munde meiner eigenen Braut“, sagte er. „Das verspricht nun einen guten Anfang für uns beide, Kristin.“
Kristin holte tief Atem.
„Dir würde schlecht damit gedient sein, mich jetzt zur Hausfrau zu bekommen, Simon.“
„Der höchste Gott mag wissen, daß es diesen Anschein hat, ja“, sagte Simon Andressohn.
„Dann vertraue ich darauf“, sagte Kristin furchtsam und
ängstlich, „daß du mir beistehen willst, damit Herr Andres und mein Vater diesen Handel um uns beide rückgängig machen?“ „Vertraust du darauf?“ fragte Simon. Er schwieg eine Weile. „Gott weiß, ob du richtig verstehst, was du selber sagst.“
„Das tue ich“, erwiderte Kristin. „Ich weiß, das Gesetz bestimmt, daß niemand eine Jungfrau gegen ihren Willen zur Ehe zwingen darf; sonst kann sie ihre Sache vor das Thing bringen.“ „Ich glaube, vor den Bischof“, sagte Simon und lachte barsch. „Ich habe noch keine Ursache gehabt, mich über die Gesetze für diese Dinge zu erkundigen. Und du glaubst wohl selbst nicht, daß du es nötig haben wirst. Du weißt, ich werde nicht verlangen, daß du dein Wort hältst, wenn es dir zu hart wird. Aber du wirst begreifen - es sind nun zwei Jahre her, seit unsere Hochzeit verabredet wurde, und du hast nie etwas dagegen vorgebracht, bis jetzt, da alles zum Verspruchsfest und zur Hochzeit bereit ist. Hast du bedacht, was es heißt, wenn da jetzt das Band
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