Kristin Lavranstochter 1
was er zu tun gedenkt. - Du mußt nun zu Bett gehen, Kristin“, sagte er nach einiger Zeit. Er ging zu ihr und küßte sie.
„Du hast mir manchen Kummer und Sorge mit diesem Einfall verursacht, meine Tochter, aber das weißt du, dein Wohl liegt mir am meisten am Herzen. Gott mag es wissen, was du auch tatest, daran ändert es nichts - er und seine milde Mutter werden uns wohl helfen, so daß sich dieses noch zum besten wenden kann. - Geh nun und sieh zu, daß du gut schläfst.“ Nachdem er sich gelegt hatte, war es Lavrans, als höre er leises Weinen von der anderen Wand her, wo die Tochter lag. Aber er tat, als schlafe er. Er hatte nicht das Herz, ihr zu sagen, daß er fürchte, nun würde auch das alte Gerede über sie und Arne und Bentein wieder ausgegraben werden, aber es lag ihm schwer auf dem Gemüt, wie wenig er es zu verhindern vermochte, daß der gute Ruf seines Kindes hinter seinem Rücken befleckt wurde. Und das schlimmste war, daß ihn dünkte, sie habe durch ihre Gedankenlosigkeit vieles selbst verschuldet.
LAVRANS BJÖRGULVSSOHN
1
Kristin kam in der schönsten Frühjahrszeit nach Hause. Der Fluß strömte heftig rings um Hof und Äcker, und durch das junge Laub des Erlengestrüpps glitzerte und flimmerte das Wasser weiß wie Silbergefunkel. Es war, als besäßen die Lichtblitze Stimmen und sängen mit dem Rauschen des Flusses - wenn die Abenddämmerung kam, rann das Wasser gleichsam mit trägerem Laut dahin.
Das Rauschen des Wassers erfüllte die Luft über Jörundhof Tag und Nacht hindurch, so daß es Kristin war, als fühle sie die Balkenwände selbst von dem Ton erzittern wie den Boden eines Saitenspiels.
Kleine Wasserstränge leuchteten oben an den Bergseiten, die Tag für Tag in blauen Dunst gehüllt standen. Die Wärme dampfte und bebte über den Äckern; die Keime des Getreides verhüllten die Erde fast ganz, und der Rasen wurde dicht und glänzte wie Seide, wenn der Wind darüber hinstrich. Es duftete süß von Hainen und Höhen, und sowie die Sonne gesunken war, strömte ein starker, kühler und säuerlicher Duft nach Säften und Wachstum aus - es war, als atme die Erde auf, tief und erquickt. Bebend gedachte Kristin des Augenblicks, da Erlend sie aus seiner Umarmung ließ. Jeden Abend legte sie sich krank vor Sehnsucht schlafen, und am Morgen erwachte sie heiß und müde von ihren eigenen Träumen.
Sie vermochte es nicht zu fassen, daß sie es daheim unterlassen konnten, auch nur mit einem einzigen Wort das zu erwähnen, was ihre Gedanken vollkommen erfüllte. Aber Woche auf Woche verging, und sie schwiegen über ihren Wortbruch gegen Simon und forschten nicht danach, was sie im Sinn hatte. Der Vater war nun, nachdem die Frühjahrsarbeit getan war, viel im Wald - er sah sich nach seinen Teerbrennern um, nahm Falken und Hunde mit und blieb viele Tage weg. Wenn er daheim war, redete er mit der Tochter ebenso freundlich, wie er es früher getan hatte - aber es war, als habe er ihr so wenig zu sagen, und niemals bat er sie, ihn zu begleiten, wenn er ausritt.
Kristin hatte sich gefürchtet, zu den Klagen der Mutter heimzukommen, aber Ragnfrid erwähnte nie etwas - und dies dünkte sie noch schwerer zu ertragen.
Zu seinem Biergelage zur Zeit der Jonsmesse teilte Lavrans Björgulvssohn jedes Jahr so viel an Fleisch und Lebensmitteln unter die Armen der Gemeinde aus, wie man in der letzten Fastenwoche im Haus gespart hatte. Die, die dem Jörundhof am nächsten wohnten, pflegten selbst zu kommen und das Almosen zu holen; da wurden sie gut bewirtet, und Lavrans und seine Gäste und das ganze Hausgesinde scharten sich um diese Armen, denn einige alte Leute unter ihnen kannten viele Sagas und Lieder. Dann saßen sie in der Feuerstube und verkürzten sich die Zeit mit Biertrinken und freundlichem Gespräch, und des Abends tanzte man auf dem Hofplatz.
In diesem Jahr war der Jonsmessetag kalt und bewölkt, aber niemand war darüber betrübt, denn die Bauern im Tale hatten bereits die Trockenheit zu fürchten begonnen. Seit dem Sankt-Halvards-Tag war kein Regen mehr gefallen, und im Gebirge hatte es wenig Schnee gegeben, so daß die Leute sich nicht erinnern konnten, in den letzten dreizehn Jahren den Fluß um die Mittsommerzeit je so niedrig gesehen zu haben.
Lavrans und seine Gäste waren deshalb guter Laune, als sie in die Feuerstube hinuntergingen, um die Almosenempfänger zu begrüßen. Die Armen saßen rings um den Tisch, aßen Milchgrütze und tranken Starkbier dazu, und Kristin ging
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