Kristin Lavranstochter 1
herum und bediente die Alten und Kranken.
Lavrans begrüßte seine Gäste und fragte, ob sie mit der Bewirtung zufrieden seien. Danach ging er zu einem alten Gemeindearmen, der an diesem Tag auf Jörundhof eingezogen war, und hieß ihn willkommen. Der Mann hieß Haakon, er war unter dem alten König Haakon Krieger gewesen und hatte die letzte Fahrt des Königs nach Schottland mitgemacht. Er war nun verarmt und fast blind; die Leute hatten ihm angeboten, ihm eine Hütte zu geben, aber er wollte lieber reihum auf den Höfen sein, wo er als ein geehrter Gast aufgenommen wurde, denn er war reich an Kenntnissen und hatte viel von der Welt gesehen.
Lavrans stand da, die eine Hand auf der Schulter seines Bruders - Aasmund Björgulvssohn war nach Jörundhof zu Gast gekommen. Er fragte auch Haakon, wie er mit dem Essen zufrieden sei.
„Das Bier ist gut, Lavrans Björgulvssohn“, sagte Haakon. „Aber eine Mähre hat uns wohl heute die Grütze gekocht. Angelegene Köchin kocht angebrannte Grütze, sagt das Sprichwort, und die Grütze ist angebrannt.“
„Es ist schlimm“, sagte Lavrans, „daß ich euch angebrannte Grütze gebe. Aber das alte Wort trifft wohl nicht immer zu, darf ich hoffen, denn meine Tochter selbst hat diese Grütze gekocht.“ Er lachte und befahl Kristin und Tordis, sie sollten eilen und die Fleischschüsseln hereinholen.
Kristin schlüpfte rasch hinaus und zum Küchenhaus hinüber. Ihr Herz klopfte - sie hatte einen Schimmer von des Oheims Gesicht erhascht, als Haakon dies von der Köchin und der Grütze gesagt hatte.
Spät am Abend sah sie, daß der Vater und der Oheim lange auf dem Hofplatz auf und ab gingen und miteinander redeten. Ihr schwindelte vor Angst, und dies wurde nicht besser, als sie am nächsten Tag merkte, daß der Vater wortkarg und unfroh war. Aber er sagte nichts.
Er sagte auch nichts, nachdem der Oheim abgereist war. Aber Kristin bemerkte, daß er nicht so viel mit Haakon redete, wie er sonst zu tun pflegte, und als die Zeit, in der sie den Alten beherbergen sollten, um war, erbot sich Lavrans nicht, ihn noch eine Weile zu behalten, sondern ließ ihn zum nächsten Hof ziehen.
Im übrigen gab es für Lavrans Björgulvssohn der Ursachen, unfroh und mürrisch zu sein, in diesem Sommer genug, denn nun sah es im Tal ganz nach einem Mißjahr aus, und die Bauern hielten ein Thing ab, um darüber zu beraten, wie sie dem herannahenden Winter begegnen sollten. Schon gegen Ende des Spätsommers war es für die meisten gewiß, daß sie einen großen Teil ihrer Herden schlachten oder zum Verkauf nach Süden führen und dafür Getreide zum Winter für ihre Leute daheim kaufen mußten. Das Jahr zuvor war kein gutes Getreidejahr gewesen, und die Vorräte an altem Korn waren deshalb geringer als sonst.
Eines Morgens zu Anfang des Herbstes ging Ragnfrid mit ihren drei Töchtern hinaus und sah nach der Leinwand, die sie auf der Bleiche liegen hatte. Kristin lobte das Gewebe der Mutter sehr. Da strich diese der kleinen Ramborg über das Haar.
„Dies soll in deine Truhe kommen, Kleine.“
„Mutter“, sagte Ulvhild, „werde ich denn keine Truhe bekommen, wenn ich ins Kloster soll?“
„Du weißt, daß du nicht weniger von daheim mitbekommst als deine Schwestern“, entgegnete Ragnfrid. „Aber du bedarfst nicht der gleichen Dinge. Und dann weißt du doch, daß du bei deinem Vater und mir bleiben sollst, solange wir leben - wenn du willst.“
„Und wenn du ins Kloster kommst“, sagte Kristin mit unsicherer Stimme, „so kann es sein, Ulvhild, daß ich dann schon seit vielen Jahren Nonne bin.“
Sie blickte zur Mutter hinüber, aber Ragnfrid schwieg.
„Wäre es so mit mir bestellt, daß ich heiraten könnte“, meinte Ulvhild, „dann hätte ich mich nie von Simon abgewandt - er war freundlich, und er war so traurig, als er von uns allen Abschied nahm.“
„Du weißt, daß dein Vater gesagt hat, wir dürften nie darüber sprechen“, rügte Ragnfrid, aber Kristin sagte trotzig:
„Ja, ich weiß, er war trauriger darüber, sich von euch allen trennen zu müssen als von mir.“
Die Mutter fuhr zornig auf:
„Hätte er dir seine Trauer zu erkennen gegeben, so hätte er wohl wenig Stolz besessen - du hast gegen Simon Andressohn nicht schön gehandelt, meine Tochter. Trotzdem bat er uns, wir sollten dir nicht drohen oder dich verfluchen.“
„Nein, er meinte wohl, er habe mich so sehr verflucht“, sagte Kristin wie vorher, „daß kein anderer es mehr nötig habe, mir zu sagen,
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