Kristin Lavranstochter 1
Tochter lehren sollte. Ich dachte, das sei nicht notwendig bei dir, die du in allen diesen Jahren so viel mit deinem Vater zusammen warst - du solltest doch wohl wissen, was ehrenhaft und rechtschaffen ist. Was du vorhin sagtest - glaubst du, ich könnte denken, du würdest Lavrans solch einen Kummer bereiten?
Ich wollte dir nur sagen - ich wünschte, daß du einen Mann bekommen mögest, zu dem du Liebe hegen kannst. Da aber mußt du dich verständig betragen - nicht Lavrans auf den Gedanken kommen lassen, du habest dir einen Unglücksmann auserwählt und einen, der nicht der Frauen Frieden und Ehre achtet. Denn einem solchen wird er dich nicht geben - auch nicht, wenn es gälte, dich vor offener Schande zu bewahren. Da ließe Lavrans lieber den Stahl Recht sprechen zwischen sich und dem, der dein Leben vertan hätte.“
Damit erhob sich die Mutter und ließ sie allein.
2
Am Tage der Bartholomäusmesse, am vierundzwanzigsten August, wurde dem Tochtersohn des seligen Königs Haakon auf dem Haugathing gehuldigt. Unter den Männern, die vom nördlichen Gudbrandstal dorthin entsandt wurden, war Lavrans Björgulvssohn. Er hieß Königsmann seit seiner Jugend, aber er war in allen diesen Jahren selten dem Gefolge des Königs nahe gekommen und hatte nie versucht, aus dem guten Namen, den er sich im Feldzug gegen Herzog Eirik erworben hatte, einen Nutzen zu ziehen. Er fühlte auch wenig Lust, zu dem Huldigungs-Thing zu fahren, aber er konnte sich der Sendung nicht entziehen. Die Erkorenen aus dem Nordtal hatten auch den Auftrag, zu versuchen, im Süden des Landes Korn zu kaufen und es mit Schiffen nach dem Raumstal senden zu lassen.
Die Leute in den Gemeinden waren mutlos und fürchteten sich vor dem herannahenden Winter. Es schien den Bauern auch schlimm, daß nun wieder ein Kind König von Norwegen werden sollte. Alte Leute erinnerten sich der Zeit, da König Magnus gestorben war und seine Söhne noch Kinder waren, und Sira Eirik sagte: „V ae terrae, ubi puer rex est. Das heißt in unserer Sprache: Keine Nachtruhe haben die Ratten auf dem Hofe, wenn die Katze jung ist.“
Ragnfrid Ivarstochter schaltete auf dem Hof, während der. Mann weg war, und es war gut für Kristin und auch für sie, daß sie Kopf Und Hände voller Arbeit hatten. In der ganzen Gemeinde waren die Leute damit beschäftigt, Moos auf den Bergen zu sammeln und Rinde zu schälen, denn es hatte wenig Heu und fast kein Stroh gegeben, und selbst das Laub, das man nach der Jonsmesse heimgebracht hatte, war vergilbt und schlecht. Am Kreuzmessetag, an dem Sira Eirik das Kruzifix über die Felder trug, weinten viele im Zuge und beteten laut, Gott möge sich über Volk und Vieh erbarmen.
Eine Woche nach der Kreuzmesse kam Lavrans Björgulvssohn vom Thing heim.
Die Leute waren längst zur Ruhe gegangen, aber Ragnfrid war noch in der Webstube. Sie hatte nun tagsüber so viel zu besorgen, daß sie oft noch bis spät in die Nacht hinein webte und nähte. Ragnfrid hielt sich so gern in diesem Haus auf. Es sollte das älteste Gebäude auf dem Hof sein. Die Leute sagten, es stünde hier seit der Heidenzeit. Kristin und eine Magd mit Namen Astrid waren bei ihr, sie saßen an der Feuerstätte und spannen.
Eine Weile hatten sie schweigsam und schläfrig dagesessen, als sie den Hufschlag eines einzelnen Pferdes vernahmen - ein Mann kam in großer Eile auf den nassen Hofplatz geritten. Astrid trat in die Vorstube und sah hinaus - gleich darauf kehrte sie zurück, gefolgt von Lavrans Björgulvssohn.
Die Frau und auch die Tochter sahen sofort, daß er ziemlich betrunken war. Er taumelte und hielt sich an der Rauchlochstange fest, während Ragnfrid ihm den triefend nassen Umhang und den Hut abnahm und ihm den Schwertgürtel abschnallte.
„Wo hast du Halvdan und Kolbein gelassen“, sagte sie ein wenig erschrocken, „bist du ihnen unterwegs davongeritten?“
„Nein, ich ritt auf dem Loptshof mit ihnen weg“, gab er zur Antwort und lachte ein wenig. „Mich erfaßte solche Sehnsucht, heimzukommen, ich fand eher keine Ruhe. Sie gingen dort unten zu Bett, da nahm ich Guldsvein und ritt heim.
Du mußt mir ein wenig zu essen bringen, Astrid“, bat er die Magd. „Trage es hier herein, dann brauchst du in dem Regen nicht so weit zu gehen. Aber spute dich, ich habe seit heute früh nichts mehr gegessen.“
„Bekamst du denn auf Loptshof nichts zu essen?“ fragte die Hausfrau erstaunt.
Lavrans setzte sich auf die Bank, schüttelte sich und lachte ein
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