Kristin Lavranstochter 1
bekannt wurde - mit seiner Buhle.“
„So alt war ich, als ich heiratete“, antwortete Lavrans. „Als ich jung war, hielten wir dafür, daß ein Mann mit achtzehn Jahren für sich einstehen und seine eigene Wohlfahrt und die anderer wahrnehmen könne.“
Kristin stand schweigend da.
„Du nanntest die Frau, mit der er zehn Jahre zusammen gelebt und mit der er Kinder gezeugt hat, seine Buhle“, sagte Lavrans kurz darauf. „Wenig froh würde ich sein an dem Tag, an dem ich meine Tochter mit einem Gemahl von daheim wegschickte, der jahraus, jahrein ein offenes Buhlenleben geführt hat, bevor er sich verheiratete. Aber du weißt, dies war nicht nur ein Buhlenleben.“
„Ihr urteiltet nicht so hart über Frau Aashild und Herrn Björn“, sagte Kristin leise.
„Dennoch kann ich nicht sagen, daß ich es gerne sehen würde, wenn wir in Schwagerschaft mit ihnen kämen“, erwiderte Lavrans.
„Vater“, sagte Kristin, „seid Ihr denn Euer ganzes Leben lang so sündenfrei gewesen, daß Ihr so hart über Erlend zu urteilen wagt...“
„Gott weiß“, antwortete Lavrans barsch, „daß ich niemand für einen größeren Sünder ansehe, als ich selber einer bin. Aber man kann doch nicht von mir fordern, meine Tochter jedem beliebigen Mann zu geben, den es gelüstet, sie zu erbitten, nur deswegen, weil wir alle der Gnade Gottes bedürfen.“
„Ihr wißt, daß ich es nicht so meinte“, sagte Kristin heftig. „Vater - Mutter, ihr seid doch jung gewesen, wißt ihr nicht mehr, daß es nicht leicht ist, sich vor jener Sünde zu bewahren, die die Liebe verursacht...“
Lavrans wurde blutrot.
„Nein“, sagte er kurz.
„Dann wißt ihr nicht, was ihr tut“, schrie Kristin verzweifelt, „wenn ihr Erlend Nikulaussohn und mich trennt!“
Lavrans setzte sich wieder auf die Bank.
„Du bist erst siebzehn Jahre alt, Kristin“, fing er wieder an. „Es mag ja sein, daß er und du - daß ihr einander lieber gewonnen habt, als ich glaubte. Aber er ist kein so junger Mann mehr, daß er nicht begriffen haben müßte ... Wäre er ein guter Mensch, so hätte er sich einem so jungen unmündigen Kind, wie du es bist, nicht mit Liebesworten genähert. - Daß du einem anderen anverlobt warst, dünkte ihn wohl eine geringe Sache.
Aber ich verheirate meine Tochter nicht mit einem Mann, der zwei Kinder mit der Ehefrau eines anderen hat. Weißt du, daß er Kinder hat?
Du bist zu jung, um zu verstehen, daß ein solches Unrecht Zank und Streit mit sich bringt und Unfrieden für die Sippe -ohne Ende. Dieser Mann kann weder sein eigenes Blut im Stich lassen, noch kann er die Kinder an den richtigen Platz im Leben stellen - er kann nur schwer einen Weg finden, um seinen Sohn unter den Leuten zu fördern oder die Tochter mit einem anderen Mann als einem Untergebenen oder einem Kleinbauern zu verheiraten. Sie müßten nicht von Fleisch und Blut sein, diese Kinder, wenn sie nicht gegen dich und deine Kinder Haß fühlten.
Begreifst du nicht, Kristin, solche Sünden - Gott vergibt vielleicht solche Sünden leichter als viele andere, aber sie zerstören das Geschlecht, so daß es nie wieder aufgerichtet werden kann. Auch ich dachte an Björn und Aashild - da stand dieser Mann, ihr Sohn, vor mir, er sitzt im Golde, er gehört zu den Räten des Königs, sie haben ihr mütterliches Erbe erhalten, er und seine Brüder, und er hat in allen diesen Jahren seine Mutter in ihrer Armut nicht aufgesucht. Ja, diesen Mann hatte dein Freund zum Fürsprecher erwählt.
Nein, sage ich, nein. In dieses Geschlecht kommst du nicht, solange mein Kopf noch über der Erde ist.“
Kristin schlug die Hände vors Gesicht und brach in Tränen aus.
„Da will ich Gott Tag und Nacht, Tag und Nacht bitten: so Ihr Euren Sinn nicht ändert, möge er mich von hinnen wegnehmen!“
„Es ist unnötig, heute abend noch mehr darüber zu reden“, sagte der Vater gequält. „Du glaubst mir wohl nicht, aber ich muß so über dich bestimmen, wie ich meine, es verantworten zu können. Geh nun zur Ruhe, Kind.“
Er hielt ihr die Hand hin, aber sie wollte sie nicht sehen und ging schluchzend zur Stube hinaus.
Die Eltern blieben noch einige Zeit sitzen. Dann sagte Lavrans zu seiner Frau:
„Möchtest du mir einen Schluck Bier holen - nein, hole etwas Wein“, bat er. „Ich bin müde...“
Ragnfrid tat, worum er gebeten hatte. Als sie mit der hohen Kanne zurückkehrte, hatte er das Gesicht in die Hände gelegt. Er blickte auf, strich ihr über das Kopftuch und
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