Kristin Lavranstochter 2
stöhnte dabei auf.
„Sollte ich dir nicht wohlwollen, Schwester - wir beide, Schwester, die einzigen aus unserer Sippe, die noch hier in unserem Tal wohnen ..
Ramborg stöhnte auf, mit hart zusammengepreßten Lippen -schluchzte leise und erstickt vor sich hin. Kristin hatte die junge Schwester nur ein einziges Mal weinen sehen, als sie am Sterbebett ihres Vaters standen. Jetzt sprangen Ramborg ein paar rasche Tränen aus den Augen, rollten über ihre Wangen. Sie hob Kristins Hand auf und sah sie an. Sie war groß und schmal, jetzt aber rötlichbraun und rauh.
„Trotzdem ist sie schöner als die meine“, sagte sie. Ramborgs Hände waren weiß und klein, aber die Finger waren kurz und die Nägel viereckig.
„Doch“, sagte sie beinahe zornig, als Kristin den Kopf schüttelte und leise lachte. „Und trotzdem bist du schöner, als ich je war. Und unser Vater und unsere Mutter hatten dich lieber als mich - alle Zeit; du bereitetest ihnen Kummer und Schande, ich war gehorsam und leicht zu lenken und wandte dem Manne meine Liebe zu, mit dem sie mich am liebsten verheiraten wollten - aber trotzdem liebten sie dich mehr . . .“
„Nein, Schwester. Sie hatten dich wohl ebenso lieb. Sei froh, Ramborg, daß du ihnen nie anderes als Freude machtest - du weißt nicht, wie schwer das andere zu ertragen ist. Aber sie waren jünger zu der Zeit, da ich jung war; darum sprachen sie vielleicht mehr mit mir.“
„Ja, ich glaube, alle waren jünger zu der Zeit, da du jung warst“, sagte Ramborg und seufzte wie zuvor.
Kurz darauf schlief sie. Kristin saß da und betrachtete sie. Sie hatte die Schwester so wenig gekannt; Ramborg war ein Kind, als sie selbst verheiratet wurde. Und es dünkte sic, die Schwester sei in mancher Beziehung weiterhin ein Kind geblieben. Wie ein Kind hatte sie ausgesehen, als sie so über ihren kranken Sohn gebeugt saß - ein bleiches, erschrockenes Kind, das darum kämpft, sich gegen Angst und Unglück aufrecht zu halten.
Es kam vor, daß Tiere im Wachstum innehielten, wenn sie zu frühzeitig Junge bekamen; Ramborg war nicht ganz sechzehn Jahre alt gewesen, als sie die Tochter gebar, und seit der Zeit schien sie gleichsam nicht mehr recht gewachsen zu sein. Sie blieb weiterhin zart und klein, ohne Üppigkeit und Fruchtbarkeit. Sie hatte später diesen einzigen Knaben bekommen, und er war merkwürdig schwächlich - schön von Angesicht, hell und fein, aber so zart und klein; er hatte so spät gehen gelernt und hatte es immer noch so schwer beim Sprechen, daß nur die, die jeden Tag um ihn waren, etwas von seinem Geplauder verstanden. Auch war er so scheu und verdrossen gegen Fremde, daß Kristin bisher den Schwestersohn kaum hatte anrühren dürfen. Wenn Gott und der heilige Olav ihr das Glück vergönnen wollten, diesen armen kleinen Kerl zu retten - oh, sie wollte ihnen alle Tage dafür danken. Solch ein Kind, wie diese Mutter war, konnte es wohl nicht ertragen, ihn zu verlieren. Und Kristin begriff, daß es auch Simon Darre sehr schwerfallen würde, es zu ertragen, sollte sein einziger Sohn von ihm genommen werden.
Daß sie ihren Schwager herzlich liebhatte, das merkte sie am stärksten jetzt, da sie begriff, wie schwer er unter dieser Angst und Sorge litt. Sie konnte die ganze Liebe ihres Vaters zu Simon Andressohn wohl verstehen. Trotzdem fragte sie sich, ob Lavrans nicht unrecht gegen Ramborg gehandelt hatte, als er so darauf drängte, diese Heirat zustande zu bringen. Denn wenn sie diese kleine Schwester hier betrachtete, so dünkte es sie, Simon sei doch nicht nur recht alt, sondern auch allzu plump und schwerfällig als Gemahl für dieses junge Kind.
3
Die Tage vergingen, und Andres lag weiterhin krank danieder; es trat keine große Veränderung ein, weder zum Schlechten noch zum Guten. Das schlimmste war, daß er beinahe keinen Schlaf finden konnte; mit halboffenen Augen lag der Knabe da und schien niemand zu erkennen, Husten und Atemnot quälten seinen kleinen mageren Körper, und das Fieber flackerte auf und ab. Eines Abends, als Kristin ihm einen Schlaftrunk gegeben hatte - kam endlich Ruhe über ihn, nach einer Weile aber sah sie, daß das Kind bläulichbleich geworden war, die Haut fühlte sich kalt und feucht an. Rasch flößte sie ihm warme Milch ein und legte ihm heiße Steine unter die Fußsohlen, und von nun an wagte sie nicht mehr, ihm einen Schlaftrunk zu geben - sie verstand, daß er noch zu klein war, um so etwas zu vertragen.
Sira Solmund kam und brachte ihm das
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