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Kristin Lavranstochter 2

Titel: Kristin Lavranstochter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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gebetet, daß sic, könnte das elende Kind hier Menschenverstand und Gesundheit erlangen, nichts weiter mehr wünschen wollte - nicht einmal den einen Wunsch wollte sie noch aussprechen, selbst von dem bösen Schmerz im Rücken befreit zu werden, der sie seit der Geburt der Zwillinge plagte.
    Sie dachte an Gaute, wie schön und stolz er doch auf seinem starken schwarzen Pferde saß! Und sie selbst - nicht viele Frauen in ihrem Alter, schon nahe den Fünfzigern, erfreuten sich einer solchen Gesundheit; das hatte sie auf ihrer Wanderung durch das Gebirge bemerkt. Herr, gib mir nur noch das und das und das - dann will ich dir danken und nicht um mehr als um das und das und das bitten ...
    Sie hatte Gott wohl nie um etwas anderes gebeten als darum, daß er ihr stets ihren Willen lasse. Und immer hatte sie es so bekommen, wie sie wollte - meistens. Und jetzt saß sie da mit zerknirschtem Herzen - nicht weil sie gegen Gott gesündigt hatte, sondern weil sie unzufrieden damit war, daß sie bis ans Ende ihres Weges ihrem eigenen Willen hatte folgen dürfen.
    Sie war nicht zu Gott mit ihrem Kranz gekommen und nicht mit ihrer Sünde und ihrem Kummer - nicht, solange die Welt noch einen Tropfen Süßigkeit besaß, um ihn in ihren Becher zu mischen. Jetzt aber kam sie, jetzt, da sie gelernt hatte, daß die Welt wie eine Herberge ist: der, welcher nichts mehr auszugeben hat, wird vor die Tür gesetzt.
    Sie fühlte keine Freude bei ihrem Entschluß - aber Kristin dünkte es, als habe sie sich nicht selbst entschlossen. Jene armen Leute, die in ihre Stube kamen, waren gekommen, um sie hinauszuweisen. Ein anderer Wille als ihr eigener hatte sie in die Schar der Armen und Kranken gestellt und sie geheißen, mit ihnen zu gehen, weg von dem Heim, wo sie als Hausfrau befohlen und als die Mutter von Männern geherrscht hatte. Und wenn sie sich nun ohne allzu großen Widerstand darein fügte, so tat sie das - das wußte sie -, weil sie begriffen hatte, daß es Gaute besser erging, wenn sie vom Hof weg war. Sie hatte das Schicksal nach ihrem Willen gezwungen, hatte vom Leben das erhalten, was sie gewollt hatte - die Söhne konnte sie nicht nach ihrem Willen schaffen, die waren so, wie Gott sie geschaffen hatte, und sie wurden von ihrem Eigensinn getrieben, ihnen gegenüber zog sie den kürzeren. Gaute war ein guter Bauer, ein guter Gemahl und ein getreuer Vater, ein tüchtiger Mann und ebenso ehrenhaft wie die meisten Leute - aber zum Anführer war er nicht geboren, fühlte auch keinen Drang dazu, sich nach dem zu sehnen, was sie für ihn so stark begehrt hatte. Aber er liebte sie doch so sehr, daß es ihn quälte, wenn er fühlte, daß sie anderes von ihm erwartet hatte. Darum wollte sie jetzt um ein Heim und Obdach bitten, obgleich es ihrem Hochmut schmerzlich war, so verarmt zu kommen; sie besaß nichts, was sie hätte opfern können.
    Aber sie begriff, daß sie kommen mußte. Der Nadelwald auf der Anhöhe stand da und trank das über ihn hinfließende Sonnenlicht und rauschte so leise, die kleine Kirche lag still und verschlossen da und strömte einen Geruch nach Teer aus. Sehnsuchtsvoll dachte Kristin an den toten Mönch, der sie bei der Hand genommen und unter das Licht des Mantels der Liebe Gottes geführt hatte, als sie ein unschuldiges Kind war; der die Hand ausgestreckt hatte, um sie von den Irrwegen heimzuführen, immer und immer wieder, sowohl da er noch auf Erden lebte als auch später - und plötzlich entsann sie sich ganz deutlich ihres Traumes von ihm in der vergangenen Nacht im Gebirge
    Sie hatte geträumt, sie stehe im Sonnenschein auf dem Hofplatz irgendeines großen Hofes, und Bruder Edvin trete aus der Tür des Wohnhauses. Er hielt Brot in den Händen, und als er zu ihr kam, brach er ein großes Stück ab und gab es ihr - sie begriff, es war so gekommen, wie sie vorausgesehen hatte: als sie zu den Gemeinden hinuntergekommen war, hatte sie um
    Almosen gebeten, dann aber war sie auf irgendeine Weise mit Bruder Edvin zusammengetroffen, sie beide gingen miteinander und bettelten. Gleichzeitig jedoch wußte sie, daß der Traum eine doppelte Bedeutung hatte, der Hof war nicht nur ein großer Hof, sondern er schien eine heilige Stätte zu sein, und Bruder Edvin gehörte dort zum Gesinde; und das Brot, das er ihr brachte, war nicht nur Flachbrot, wie es den Anschein hatte -es bedeutete die Hostie, panis angelorum, und sie nahm die Speise der Engel aus seiner Hand entgegen. Und nun legte sie ihr Gelöbnis in Bruder Edvins Hand

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