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Kristin Lavranstochter 2

Titel: Kristin Lavranstochter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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Hjerdkinn kommen würde, aber die beiden Bauern von Dovre kannten eine Steinhütte an einem See, etwas abseits vom Wege, und so hielten die Pilger auf diese zu. Der Abend war unterdessen kalt geworden. Die Ufer des Sees waren sumpfig, und aus den Mooren stieg weißer Nebel auf, so daß der niedere Birkenwald von Tau troff. - Eine kleine Mondsichel stand westlich über den Felskuppen, beinahe ebenso bleichgelb und matt wie die Luft. Häufiger und immer häufiger mußte Bruder Torgils stehenbleiben. Er hustete, daß es ein Jammer war, es anzuhören. Bruder Arngrim stützte ihn dabei, wischte ihm danach Gesicht und Mund ab und zeigte Kristin kopfschüttelnd seine Hand - sie war blutig vom Speichel des anderen.
    Dann fanden sie die Hütte, aber sie war eingefallen. So suchten sie eine geschützte Stelle und machten ein Feuer. Aber die armen Leute aus dem südlichen Teil des Landes hatten nicht geglaubt, daß die Nacht im Gebirge so eisig kalt sein würde. Kristin holte aus ihrem Sack den Umhang, den Gaute ihr aufgenötigt hatte, weil er so besonders leicht und warm war - er war aus ausländischem Tuch, mit Biberpelz gefüttert. Als sie Bruder Torgils darin einhüllte, flüsterte er - er war so heiser, daß er kaum zu sprechen vermochte -, das Kind dürfe gern bei ihm liegen. So gab man es ihm; es jammerte, und der Mönch hustete, aber dazwischen schliefen sie doch alle beide.
    Einen Teil der Nacht wachte Kristin zusammen mit dem einen Mann aus Dovre und mit Bruder Arngrim, und sie hüteten das Feuer. Die gelblichweiße Färbung am Himmel wanderte nach Norden, der Bergsee lag weiß und still da, die Fische kamen an die Oberfläche, so daß das Wasser Ringe bildete, aber unter dem Felskogel auf der anderen Seite spiegelte der See schwarze Dunkelheit wider. Einmal drang ein häßlicher gellender Schrei von dort zu ihnen herüber - der Mönch schrak zusammen und packte die beiden anderen hart am Arm. Kristin und der Bauer meinten, es sei ein Tier - da hörten sie Steine herunterrollen, als ginge jemand über das Geröllfeld drüben, dazu erklang wiederum ein Ruf, ähnlich einer rauhen Männerstimme. Der Mönch begann laut zu beten. Jesus Christus, Soter verstand sie und Vicit leo de tribu Juda* - da hörten sie, daß drüben unter dem Felsen eine Tür zugeschlagen wurde.
    Es begann zu dämmern, das Geröllfeld jenseits und das Birkendickicht traten deutlicher hervor; da lösten der zweite Bauer aus Dovre und der Mann aus Oslo sie ab. Als letztes dachte Kristin, ehe sie nahe dem Feuer einschlief, daß sie bei so kleinen Tagereisen - den Bettelmönchen mußte sie zum Abschied doch auch ein Geldgeschenk machen - schließlich noch genötigt sein würde, sich auf den Höfen das Essen zu erbitten, wenn sie ins Gaultal hinunterkämen.
    Die Sonne stand bereits ziemlich hoch, und der Morgenwind verdunkelte das Wasser mit kleinen Schauern, als die durchfrorenen Pilger sich um Bruder Arngrim versammelten, der das Morgengebet sprach. Zusammengekrochen und zähneklappernd saß Bruder Torgils da und bemühte sich, den Husten zurückzuhalten, während er murmelnd mitflüsterte. Als Kristin die beiden aschgrauen Mönchskutten sah, von der Morgensonne
    * (lat.) Jesus Christus, Erlöser. - Der Löwe vom Stamme Juda hat gesiegt.
    beschienen, erinnerte sie sich, daß sie von Bruder Edvin geträumt hatte; sie wußte nicht mehr, was, aber sie küßte kniend den Mönchen die Hände und bat sie, die Schar zu segnen.
    An dem Biberpelzumhang hatten die übrigen Pilger erkannt, daß Kristin nicht von kleinen Leuten stammte. Und als sie zufällig erzählte, daß sie den Königsweg über das Dovregebirge schon zweimal zurückgelegt habe, wurde sie für die Schar wie eine Art Führerin. Die Dovrebauern waren noch nie weiter gekommen als bis Hjerdkinn, und die Leute aus dem Süden waren hier in der Gegend ja völlig unbekannt.
    Nach Hjerdkinn kamen sie schon vor der Vesperzeit, und nach der Andacht in der Kapelle entfernte Kristin sich allein von den Häusern. Sie wollte den Pfad wiederfinden, den sie mit ihrem Vater gegangen war, und die Stelle am Bach, wo sie mit ihm gesessen hatte. Die fand sie nicht, aber sie glaubte den Hügel wiederzuerkennen, auf den sie hinaufgeklettert war, um ihm nachzublicken, als er von ihr wegritt. Obgleich die vielen kleinen Erhöhungen hier einander sehr ähnlich waren.
    Sie kniete in dem Beerenkraut auf dem Gipfel der Anhöhe. Der Sommerabend begann sich herabzusenken - die Birkenhaine, graues Geröll und braune

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