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Kristin Lavranstochter 2

Titel: Kristin Lavranstochter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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sah, wie dort jetzt alles stand, nahm ihn das so mit, daß ihm das Herz ganz weh tat, wenn er wieder wegritt...
    Der Wohlstand nahm zu - dieser Schwager des Bruders, Ulv Saksessohn, stand ja jetzt beim König in voller Gunst und Gnade, und er zog Gyrd Andressohn mit sich in diesen Kreis von Männern, die am meisten Macht und Vorteil im Land genossen. Aber Simon liebte diesen Burschen nicht - er ahnte, daß auch Gyrd dies nicht tat. Widerwillig und wenig froh ging Gyrd von Dyfrin den Weg, den seine Frau und ihr Bruder ihm vorschrieben - um ein wenig Hausfrieden zu haben.
    Helga Saksestochter war eine Hexe. Hauptsächlich aber waren wohl Gyrds beide Söhne daran schuld, daß er jetzt so tiefvergrämt aussah. Sakse, der Älteste, zählte jetzt etwa sechzehn Winter. Aber kein Abend ging vorüber, an dem nicht sein eigener Knecht den jungen Burschen schwerbetrunken zu Bett bringen mußte. Verstand und Gesundheit hatte er wohl schon eingebüßt - er trank sich noch zu Tode, ehe er das Alter der Erwachsenen erreichte. Und ein großer Verlust würde es wohl kaum sein - es ging über ihn, so jung er war, ein böses Wort im Tal, von Roheit und Hochmut. Er war der Liebling der Mutter; Gyrd liebte mehr den Jüngeren, Jon. Dieser wäre auch viel mehr so geartet gewesen, daß er dem Geschlecht zur Ehre hätte gereichen können, wäre er nur nicht - ja, er war ein wenig verwachsen, mit hohen Schultern und einem schiefen Rücken. Und dann hatte er irgendein Leiden im Magen - vertrug keine andere Kost als Brei und Flachbrot.
    Im Gemeinsamkeitsgefühl mit seiner Sippe hatte Simon Andressohn stets eine heimliche Zuflucht gefunden, wenn sein eigenes Leben ihn - ja, allzu schwer dünkte, oder wie man es nennen wollte. Die Widerwärtigkeiten waren ihm viel weniger schwer zu ertragen, wenn er dabei an das Glück und das Wohlergehen seiner Geschwister denken konnte. Wäre es auf Dyfrin nur so gewesen wie zu Vaters Zeiten - als Ruhe, Zufriedenheit und Wohlergehen auf dem Hof herrschten dies hätte seine heimliche Unruhe sehr gestillt, dünkte ihn. Es war, als seien, seine eigenen Lebenswurzeln mit denen der Geschwister verwachsen - irgendwo tief drinnen in Erde und Finsternis. Jeden Schlag, der den einen traf, alles Böse, das einem von ihnen am Mark zehrte, spürten sie alle zugleich ...
    Jedenfalls war es Gyrd und ihm selbst so ergangen - früher zum mindesten. Jetzt wußte er nicht mehr so sicher, ob Gyrd es noch auf diese Weise fühlte.
    Den ältesten Bruder - und Sigrid hatte er am liebsten gehabt. Er erinnerte sich - aus den Jahren ihres Heranwachsens: Oft hatte er dagesessen und die jüngste Schwester betrachtet und sie dabei immer lieber gewonnen, so daß er etwas tun mußte, um ihr dies zu zeigen. Da ging er zu ihr hin, neckte und ärgerte sie, zog sie an den Zöpfen, zwickte sie in die Arme, denn es war gleichsam, als könne er ihr seine Liebe auf keine andere Weise zeigen, ohne sich ihrer zu schämen. Die Neckerei zwischen ihnen war notwendig, damit er, ohne verlegen zu werden, ihr alles schenken konnte, was er an guten Sachen für sie aufhob, damit er die Kleine zu seinen Spielen mitnehmen konnte, wenn er Mühlen am Bach errichtete oder Höfe für sie baute und im Frühling Weidenpfeifen für die Schwester schnitzte.
    Wie ein eingebranntes Zeichen lebte in seinem Gemüt die Erinnerung an jenen Tag, da er von ihrem Unglück erfuhr. Den ganzen Winter hindurch hatte er beobachtet, wie Sigrid sich über ihren toten Verlobten beinahe zu Tode grämte-mehr aber hatte er nicht begriffen. Dann kam jener Sonntag gegen den Frühling zu - er stand auf dem Altan von Mandvik und ärgerte sich über die Frauen, die auf sich warten ließen, auf dem Hofplatz standen die Pferde, gesattelt für den Ritt zur Kirche, samt den Knechten, die schon lange bereit waren. Schließlich wurde er zornig und ging ins Frauenhaus hinüber. Sigrid lag noch zu Bett - erstaunt fragte er, ob sie krank sei. Seine Frau saß auf dem Bettrand - es lief ein Beben über das sanfte welke Gesicht, als sie aufblickte. „Krank ist sie wohl, das arme Kind, aber noch mehr, glaube ich, hat sie Angst davor - wie ihr - du und euere Verwandten - dies aufnehmen werdet...“
    Die Schwester schrie laut auf, warf sich nach vorn und barg ihren Kopf in Halfrids Schoß und klammerte sich an sie, umschlang die Schwägerin mit dünnen, nackten Armen. Der Schrei schnitt Simon so sehr ins Herz, daß ihm das Blut fast zu stocken drohte. Ihr Schmerz, ihre Schande durchdrangen ihn so, daß ihn

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