Kristin Lavranstochter 2
Söhnen Naakkve und Björgulv ebenbürtig waren, würden meinen, daß diese nicht reich genug seien. Und wenn die Burschen versuchen wollten, sich im Dienst bei Fürsten emporzuarbeiten, so würden das Urteil und die Feindschaft des Königs, die ihr Vater sich zugezogen hatte, ihnen im Wege stehen. Mit Bitterkeit dachte sie an jene Zeiten, in denen Erlend und Erling Vidkunssohn von einer Heirat zwi-schen Nikulaus und einer der Töchter des Reichsverwesers gesprochen hatten.
Zwar kannte sie gar manche heranwachsende Jungfrau in den Tälern, die geeignet gewesen wäre - reich und von guter Sippe, deren Väter sich durch einige Geschlechter hindurch vom Hofdienst ferngehalten hatten und daheim in ihren Tälern geblieben waren. Aber Kristin konnte den Gedanken nicht ertragen, daß sie und Erlend eine Absage erhalten würden, wenn sie bei diesen Großbauern werben ließen. Hier wäre Simon Darre der beste Fürsprecher gewesen - jetzt hatte Erlend sie von diesem Helfer getrennt.
Zum Dienst der Kirche, glaubte sie, fühlte sich keiner ihrer Söhne hingezogen - außer vielleicht Gaute oder Lavrans. Aber Lavrans war noch so jung. Und Gaute war der einzige der Söhne, an dem sie einige wirkliche Hilfe auf dem Hof hatte.
Sturm und Schnee hatten dieses Jahr die Zäune übel zugerichtet, und der Schneefall zur Zeit der Kreuzmesse verzögerte die Arbeit, so daß die Leute tüchtig schaffen mußten, um zur rechten Zeit fertig zu werden. Darum sandte Kristin eines Tages Naakkve und Björgulv hinaus, um den Zaun an einem am Hauptweg gelegenen Acker auszubessern.
Im Lauf des Vormittags ging die Mutter hinauf, um zu sehen, wie die Burschen mit dieser ungewohnten Arbeit zurechtkämen. Björgulv arbeitete an der dem Hof zugewandten Seite - sie blieb eine Weile stehen und sprach mit ihm. Dann ging sie weiter hinauf. Da sah sie Naakkve, wie er sich über den Zaun lehnte und mit einer Frau sprach, die zu Pferd saß und ganz dicht am Wegrand beim Zaun stand. Er streichelte das Pferd, dann umfaßte er den Knöchel des Mädchens und ließ gleichsam gedankenlos seine Hand am Bein entlang bis hinauf unter den Rock gleiten.
Das Mädchen erblickte Kristin, errötete und sagte etwas zu Naakkve. Der zog seine Hand rasch zurück und blickte ein wenig verlegen drein. Das Mädchen wollte jetzt weiterreiten, aber Kristin rief ihr einen Gruß zu, sprach dann ein wenig mit ihr und fragte nach ihren Verwandten - das junge Ding war eine Schwestertochter der Frau auf Uldsvolden und weilte erst seit kurzem als Gast dort. Kristin ließ sich nicht anmerken, daß sie etwas gesehen hatte, und sprach, nachdem das Mädchen weggeritten war, mit Naakkve noch einiges über den Zaun.
Nicht lange darauf fügte es sich so, daß Kristin zwei Wochen lang auf Uldsvolden lebte, denn die Frau dort kam mit einem Kind nieder und lag danach sehr krank, Kristin war nicht nur ihre Nachbarin, sondern galt auch als die tüchtigste Geburtshelferin im Tal. Da kam Naakkve oft mit Nachrichten und Grüßen zu seiner Mutter herüber, und diese Schwestertochter, Eyvor Haakonstochter, fand dann stets Gelegenheit, ihn zu treffen und mit ihm zu reden. Kristin sagte dies wenig zu - sie mochte das Mädchen nicht recht leiden und konnte auch nicht finden, daß Eyvor so schön war, wie sie die meisten Männer von ihr hatte sagen hören. Sie freute sich, als sie eines Tages erfuhr, daß Eyvor wieder heim nach Raumsdal gezogen sei.
Aber sie glaubte keineswegs, daß Naakkve sich etwas aus Eyvor mache, um so mehr, als sie hörte, daß Frida immer von der Tochter auf Loptshof, Aasta Audunstochter, redete und Naakkve mit dieser neckte.
Kristin stand eines Tages im Brauhaus und kochte Wacholderlauge, da hörte sie, wie Frida wiederum ihren Unsinn trieb. Naakkve war zusammen mit Gaute und dem Vater draußen hinter dem Hof; sie waren damit beschäftigt, ein Boot zu bauen, das sie auf den Fischsee oben im Gebirge schaffen wollten - Erlend war ein ziemlich geschickter Bootsbauer. Naakkve wurde zornig, jetzt aber fing auch Gaute zu necken an - Aasta wäre doch eine recht passende Heirat...
„Nimm sie selber, wenn du das meinst“, sagte der Bruder hitzig.
„Nein, ich will sie nicht haben“, antwortete Gaute, „denn ich habe gehört, rotes Haar und Kiefernwald wachsen auf magerer Erde - du aber findest ja rotes Haar schön ...“
„Dies Wort paßt aber nicht recht auf Frauen, mein Sohn“, sagte Erlend und lachte. „Rothaarige Frauen haben meist eine weiße und weiche Haut...“
Frida lachte
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