Kristin Lavranstochter 2
gehabt, seinem Hang zu den Büchern zu folgen. Für ihn war das Zusammenleben mit dem Lektor Aslak, was eine Almweide für das ausgehungerte Vieh ist. Und die beiden jungen Knaben, die sich unter den Mönchen in der Nähe des heimatlichen Priesters hielten, lauschten dem gelehrten Gespräch der Männer mit offenem Mund. Da fanden Bruder Aslak und Sira Eiliv ihre Freude daran, die beiden jungen Gemüter mit dem lieblichsten Honig aus dem Bücherschatz des Klosters zu nähren, den Bruder Aslak selbst durch viele Abschriften und Exzerpte aus den allerschönsten Büchern vermehrt hatte. Bald wurden die Knaben so bewandert, daß die Mönche selten mehr mit ihnen norwegisch zu sprechen brauchten, und als die Eltern kamen, um sie zu holen, konnten sie alle beide dem Priester fließend und einigermaßen richtig auf lateinisch antworten.
Diese Kenntnis trachteten die Brüder weiterhin aufrechtzuerhalten. Es gab viele Bücher auf Jörundhof - fünf hatte Lavrans besessen, zwei davon allerdings waren durch die Erbteilung Ramborg zugefallen, die aber hatte nie lesen lernen wollen, und Simon war nicht so vertraut mit den Buchstaben, daß er des Vergnügens halber hätte lesen mögen, obgleich er wohl einen Brief lesen und auch selbst schreiben konnte. So bat er Kristin, die Bücher einstweilen zu behalten, bis seine Kinder größer würden. Drei Bücher, die Erlends Eltern gehört hatten, gab Erlend seiner Frau, einige Zeit nachdem sie geheiratet hatten, und ein weiteres Buch hatte sie von Gunnulv Nikulaussohn zum Geschenk erhalten. Er hatte es selbst für seine Schwägerin aus dem Buch über den heiligen Olav und seine Wunder, aus einigen anderen Heiligensagen und aus der Schrift über Edvin Rikardssohn, die von den Franziskanern in Oslo dem Papst übersandt worden war, um Bruder Edvins Heiligsprechung zu erreichen, zusammenschreiben lassen. Und endlich hatte Naakkve von Sira Eiliv zum Abschied ein Gebetbuch erhalten. So las Naakkve seinem Bruder häufig vor - er las fließend und schön, mit ein wenig singender Stimme, so wie Bruder Aslak es ihn gelehrt hatte, am liebsten mochte er die lateinischen Bücher: sein eigenes Gebetbuch und eines, das Lavrans Björgulvssohn gehört hatte. Am höchsten aber schätzte er ein großes, über die Maßen schön geschriebenes Buch, das sich seit dem berühmten Ahnherrn, dem Bischof Nikulaus Arnessohn, im Geschlecht weitervererbte.
Kristin wollte gern auch ihren jüngeren Söhnen einen Unterricht zuteil werden lassen, wie er sich für Männer ihrer Geburt geziemte. Aber es war nicht so einfach, dies einzurichten: Sira Eirik war zu alt, und Sira Solmund konnte nur jene Bücher lesen, die er beim Gottesdienst gebrauchte; gar vieles von den Dingen, die er vorlas, verstand er selbst nicht einmal so recht. Lavrans fand wohl dann und wann am Abend Vergnügen daran, bei Naakkve zu sitzen und sich vom Bruder die Buchstaben auf der Wachstafel zeigen zu lassen - aber die drei anderen zeigten überhaupt keinen Eifer, sich solche Kenntnisse anzueignen. Eines Tages nahm Kristin ein norwegisches Buch und bat Gaute, zu versuchen, ob er sich noch an einiges von dem erinnerte, was er als Kind bei Sira Eiliv gelernt hatte, aber Gaute vermochte sich nicht durch drei Wörter hindurchzubuchstabieren,- und als er auf das erste Zeichen stieß, das in mehrere Buchstaben aufgelöst werden sollte, schlug er lachend das Buch zu und sagte, zu solchem Spiel habe er keine Lust.
Folgendes aber war die Ursache, daß Sira Solmund eines Abends im Spätsommer nach Jörundhof kam und Nikulaus bat, ihn nach Hause zu begleiten. Ein ausländischer Ritter, vom Olavsfest in Nidaros kommend, sei auf Romundhof abgestiegen, aber weder er noch seine Knappen und Knechte könnten Norwegisch, der Führer, der sie zum Hofe gebracht habe, begriffe nur das eine oder andere Wort aus ihrem Gespräch, Sira Eirik läge krank - ob nicht Naakkve mitkommen und lateinisch mit ihm sprechen möchte.
Naakkve schien es nicht schlecht zu gefallen, daß er so als Dolmetscher geholt wurde, er ließ sich jedoch nichts anmerken und folgte dem Priester. Als er heimkam, sehr spät erst, war er aufgeräumt und ziemlich betrunken - er hatte Wein bekommen, der fremde Ritter führte derlei mit sich und hatte sowohl dem Priester als auch dem Diakon und Naakkve im Überfluß eingeschenkt. Er hieß so ähnlich wie Herr Alland oder Allart von Bekelar, war von Flandern und machte eine Pilgerfahrt zu den Heiligtümern in den nordischen Ländern. Er sei überaus
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