Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kristin Lavranstochter 2

Titel: Kristin Lavranstochter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
Vom Netzwerk:
und aß, überbrühte sie getrocknete Blüten von Augentrost und Schwalbenkraut.
    Kristin nahm ihm die leere Schüssel ab, wusch seine roten und geschwollenen Augen mit dem Kräuterwasser und legte ihm feuchte Tücher auf, und dann faßte sie sich endlich ein Herz und fragte:
    „Sprach er nicht darüber, dein Vater, wann er zu uns herunterzukommen gedenke?“
    „Nein.“
    „Du bist immer wortkarg, Björgulv“, sagte die Mutter nach einer Weile.
    „Das scheint bei uns in der Sippe zu liegen, Mutter - Simon und seinen Leuten begegneten wir hier oberhalb der Rostklamm. Sie fuhren mit ihren Lastschlitten talaufwärts“, sagte er ein wenig später.
    „Habt ihr miteinander gesprochen?“ fragte Kristin.
    „Nein ...“, er lachte wie zuvor. „Es scheint zwischen uns Verwandten und Schwägern eine Seuche zu herrschen - daß Freundschaft sich bei uns nicht halten kann.“
    „Willst du mich beschuldigen?“ brauste die Mutter auf. „In einem Atemzug klagst du darüber, daß wir zuviel schwiegen -und im nächsten sagst du, wir könnten keine Freundschaft bewahren . . .“
    Björgulv lachte bloß wieder. Dann richtete er sich auf den Ellbogen auf, als lausche er auf die Atemzüge der Mutter.
    „Um Gottes willen, Mutter, Ihr dürft jetzt nicht zu weinen anfangen. Ich bin müde, nicht gewohnt, auf Schneeschuhen zu gehen; rechnet mir nicht nach, was ich sage, ich weiß ja, daß Ihr keine streitsüchtige Frau seid.“
    Gleich darauf ging Kristin hinunter. Jetzt aber wagte sie nicht mehr um alles in der Welt, diesen Sohn zu fragen, was die Kinder über diese Dinge dachten.
    So lag sie Abend für Abend da, wenn die Knaben in den Oberstock hinaufgegangen waren - wachte und lauschte: Ob sie wohl miteinander sprachen, wenn sie dort oben allein waren? Es dröhnte von den Stiefeln, die sie auf den Boden schleuderten, die hingeworfenen Messergürtel schlugen auf - sie hörte ihre Stimmen, konnte aber keine Worte unterscheiden - die Knaben redeten heftig aufeinander ein, die Stimmen wurden laut - es schien halb Streit, halb Scherz zu sein. Einer der Zwillinge schrie laut - dann wurde etwas über den Boden geschleift, so daß der Staub durch die Decke herunterrieselte -die Türe zum Altan wurde laut aufgestoßen - dann hörte man ein Rumpeln auf dem Altan selber, und Ivar und Skule drohten und schalten draußen, während sie gegen die Türe hämmerten - sie unterschied Gautes Stimme, laut und lachend. Er stand innerhalb des Raumes, das merkte sie; jetzt hatten er und die Zwillinge wieder miteinander gestritten, und das Ende vom Lied war, daß Gaute die beiden hinausgeworfen hatte. Schließlich hörte sie Naakkves erwachsene Männerstimme -er stiftete Frieden, die beiden kamen herein. Noch eine Zeitlang klangen Reden und Gelächter zu ihr herunter, dann stiegen die droben in ihre Betten. Mit der Zeit wurde es still.
    Nach einer Weile klang ein gleichmäßiges Rollen zu ihr herunter, nur ab und zu unterbrochen — ein Rollen wie von Donner, tief drinnen im Gebirge.
    Die Mutter lächelte in der Dunkelheit. Gaute schnarchte, wenn er recht müde war, das hatte ihr Vater auch getan. Es war doch etwas Seltsames um solche Ähnlichkeit - jene ihrer Söhne, die im Äußeren Erlend nachschlugen, waren ihm auch darin verwandt, daß sie so lautlos schliefen wie die Vögel. Und während sie dalag und sich all der kleinen Züge erinnerte, die man an den Nachkommen so wunderbar wiedererkennen kann, Geschlecht auf Geschlecht, mußte sie vor sich hin lächeln. Die schmerzliche Spannung im Gemüt der Mutter ließ für einen Augenblick nach, und die Betäubung des Schlafes kam und ballte alle Gedankenfäden zusammen, während sie hinüberschlummerte, zuerst voller Wohlbehagen und dann ganz vergessend ...
    Die sind jung, tröstete sie sich. Die nehmen es gewiß nicht so schwer ...
    Aber eines Tages kurz vor Neujahr kam Sira Solmund, der Hilfspriester, zu Kristin nach Jörundhof. Es war das erstemal, daß er ungebeten hierherkam, und Kristin empfing ihn freundlich, obgleich sie Böses ahnte. Es kam so, wie sie gedacht hatte -er hielt sich für verpflichtet, darüber nachzuforschen, ob sie und ihr Mann sich eigenmächtiger- und unchristlicherweise voneinander getrennt hätten und, wenn dem so sei, wer von den Ehegatten die Verantwortung für diese Ungesetzlichkeit trüge.
    Kristin fühlte selbst, daß ihr Blick nicht ruhig war und ihre Zunge zu schnell und daß sie allzu viele Worte gebrauchte, als sie dem Priester darlegte, Erlend habe gemeint, daß er

Weitere Kostenlose Bücher