Kristin Lavranstochter 2
einmal nach seinem Besitztum dort oben auf Dovre sehen müsse, es sei die ganzen Jahre her vernachlässigt worden, die Häuser fielen wohl schon bald ein, bei ihren vielen Kindern sei es doch wohl notwendig, auf alles zu achten - und noch viel mehr dergleichen. Viel zu wortreich erklärte sie den Zusammenhang, selbst Sira Solmund, so wenig scharfsinnig er war, mußte merken, daß sie sich unsicher fühlte - jetzt redete und redete sie davon, daß Erlend ein so eifriger Jäger sei, das wisse der Priester ja selber. Sie holte die Hermelinfelle herbei, die sie von ihrem Mann bekommen hatte - in ihrer Verwirrung schenkte sie die Felle dem Priester, beinahe ehe sie sich dessen bewußt war, ehe sie Zeit zum Überlegen gehabt hatte.
Sie ärgerte sich, als Sira Solmund gegangen war. Ihr Mann hätte wissen können, daß gerade ein solcher Priester wie der, den sie jetzt hatten, auf den Gedanken kommen würde, nachzuforschen, ob irgend etwas vorläge, wenn Erlend so lange wegblieb.
Sira Solmund war ein kleiner unscheinbarer Mann; sein Alter ließ sich nicht leicht erraten, vermutlich aber war er an die vierzig Winter alt. Sehr scharfsinnig schien er nicht zu sein, und auch überflüssige Kenntnisse besaß er sicherlich nicht allzu viele, immerhin aber war er ein rechtschaffener, frommer und sittsamer Priester. Eine ältere Schwester von ihm, kinderlose Witwe und ein widerliches Klatschweib, führte ihm seinen kleinen Haushalt.
Er wollte gerne als ein eifriger Diener der Kirche erscheinen, warf sich aber fast nur auf kleine Sachen und kleine Leute - er war furchtsamen Gemütes und hatte Angst, gegen die Großbauern vorzugehen und in schwierigen Fragen einzugreifen, hatte er dies aber erst einmal getan, so wurde er sehr hitzig und hartnäckig.
Trotzdem erfreute er sich in seiner Gemeinde ziemlicher Beliebtheit. Einesteils empfanden die Leute Achtung vor seiner stillen ehrbaren Lebensweise, anderenteils war er, wenn es sich um die Rechte der Kirche und um die Pflichten der Gemeinde handelte, lange nicht so geldgierig oder so kampflustig, wie Sira Eirik es gewesen war. Dies kam wohl hauptsächlich daher, daß er nicht so derb und mutig war wie der alte Priester.
Sira Eirik aber wurde von jedem Mann und jedem Kind in den Tälern ringsumher geliebt und geehrt. Früher hatten die Leute sich oft geärgert, wenn der Priester mit unziemlicher Gier versucht hatte, die Kinder sicherzustellen und reich zu machen, die er in dem Buhlenleben mit seiner Schaffnerin gezeugt hatte. In der ersten Zeit, die er in dem Tal dort lebte, war es den Leuten von Sil schwergefallen, seine gebieterische Strenge gegen jeden, der auch nur das kleinste Gesetz der Kirche übertrat, zu ertragen. Kriegsmann war er gewesen, ehe er die Priesterweihe empfing, und er hatte in seiner Jugend zu dem Gefolge des Seeräuber-Jarls, Herrn Alvs av Tornberg, gehört; das spürte man noch an seiner ganzen Art.
Aber selbst damals waren die Leute stolz auf ihren Priester gewesen, denn er überragte die meisten Kirchspielpfarrer des Landes an Kenntnissen, Wissen, Körperstärke und vornehmem Auftreten, und er hatte die schönste Singstimme. Und mit den Jahren und mit den schweren Prüfungen, die Gott diesem seinem Diener um des Eigensinnes seiner Jugend willen auferlegt zu haben schien, hatte Sira Eirik Kaaressohn so an Weisheit, Frömmigkeit und Gerechtigkeit zugenommen, daß sein Name jetzt im ganzen Bistum bekannt und geehrt war. Wenn er zur Priesterversammlung in die Stadt Hamar ritt, wurde er von all den anderen Priestern wie ein Vater geehrt, und es hieß, Bischof Halvard hätte ihm gern eine Kirche verschafft, durch die er Herrentitel und -sitz im Domkapitel erhalten hätte. Sira Eirik aber sollte darum gebeten haben, bleiben zu dürfen, wo er war - er schob dies auf sein Alter und auf seine Augen, die schon seit vielen Jahren sehr schlecht waren.
Am Hauptweg in Sil, ein wenig südlich von Formo, stand das schöne Kreuz aus Schnitzstein, das Sira Eirik an jenem Platz hatte aufstellen lassen, wo vor vierundzwanzig Jahren seine beiden hoffnungsvollen Söhne von der Steinlawine dahingerafft worden waren. Heute noch fuhren die älteren Leute aus dem Tal nicht daran vorbei, ohne anzuhalten und ein Paternoster und den Englischen Gruß für Alvs und Kaares Seelen zu sprechen.
Seine Tochter hatte der Priester mit Heiratsgut und Vieh vom Hof weg verheiratet; er gab sie einem braven Bauernsohn aus gutem Geschlecht von Viken; niemand dachte anders, als daß Jon Fis ein guter
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