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Kristina, vergiß nicht

Kristina, vergiß nicht

Titel: Kristina, vergiß nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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streiten«, sagte Mutter. »Es wird schon keine Schwierigkeiten geben. Ich hörte neulich, ein Bauer hat sogar sein Vieh mitnehmen dürfen.«
    Der Laster tuckerte heran. Janec und Kristina sprangen auf die Ladefläche und hatten Mühe Wolf hinaufzuziehen. Die Frauen zwängten sich zu Gronski in die Kabine.
    »Ist das nicht zu eng?«, fragte Großmutter und stellte ihre schwarze Stofftasche auf den Schoß.
    »Die Heizung kommt nicht auf Touren«, lachte Gronski. »Ganz gut, wenn wir uns dicht zusammendrängen.« Er ruckte den Gang hinein.
    »Alter Schlitten«, sagte er. »Aber fahren tut er wieder. Das ist die Hauptsache.« Scharf bog er in die Landstraße ein, die zur Stadt führte. »Der Janec hat ein Händchen für Maschinen. Er hat drei Tage lang an der alten Kiste rumgefummelt. Ich hab ihm wohl zehnmal gesagt: Zwecklos, vergeudete Zeit, und was man so sagt. Aber er hat den Motor hingekriegt.«
    »Unser Janec?«, fragte die Mutter. Man hörte Verwunderung aus ihrer Stimme.
    »Und wie der den Wagen hingekriegt hat. Seit vier Wochen läuft der ohne Panne, wenn man die Heizung nicht zählt. Dabei hat das Biest bald dreihunderttausend Kilometer auf dem Buckel.«
    »Ich wusste gar nicht, dass Janec so was kann«, sagte Mutter.
    »Wird wohl im Blut liegen«, vermutete Großmutter. »Wenn ich an meinen Mann denke . . .«
    »Nur zu Hause«, meckerte Mutter, »da zeigt er nichts von seiner Kunst. Der Kran tröpfelt seit Wochen. Ich lege nachts schon einen Lappen in den Ausguss. Das Tropfen macht mich verrückt. Ich schlafe nicht ein.«
    »Nützt das denn etwas?«, fragte Großmutter.
    »Ach was. Es platscht kurze Zeit später ein bisschen anders, aber es platscht.«
    »Sie müssen ein Band an den Kran binden und das andere Ende in den Ausguss legen«, riet Gronski. »Das Wasser läuft dann daran herunter. Hilft hundertprozentig.«
    Großmutter lachte in sich hinein.
    »Das sagt ein Handwerker«, spottete sie. »Eine neue Lederdichtung braucht der Kran. So viel weiß ich ja als Frau sogar.«
    »Na ja«, sagte Gronski. »Stimmt. Aber machen muss man’s. Meine Alte kann das nicht verstehen, dass ich zu Hause keine Lust zu so was habe. Sie hat sich damit, na, sagen wir, abgefunden.«
    »Sie lässt den Kran also tropfen?«
    »Bewahre! Sie geht mir so lange auf die Nerven, bis ich ihn schließlich repariere.«
    »Tja, ein Mann müsste im Haus sein«, seufzte Mutter.
    »Wirst ihn schon wieder haben, deinen Mann«, sagte Großmutter scharf.
    »Vier Jahre sagst du mir das schon. Er wird längst eine andere haben, dein Sohn. Ich werd es ihm nie vergessen, dass er einfach davongelaufen ist und mich um meine besten Jahre betrogen hat.«
    »Hat er geschrieben?«
    »Vorige Woche. Er hat eine Wohnung, eine kleine.«
    »So ein verrückter Hund«, sagte Gronski und schüttelte den Kopf. »Hat hier eine Stelle als Ingenieur, ist ein angesehener Mann im Betrieb, bringt als Erster damals ein Fernsehgerät aus Warschau mit und haut ab.
    Das verstehe, wer will.«
    »Es hat ihn nach Deutschland gezogen«, verteidigte Großmutter ihn. »Er ist eben ein Deutscher.«
    »Was sind wir hier schon?«, erwiderte Gronski gereizt. »Ich habe neununddreißig in der polnischen Uniform gesteckt. Drei Wochen Krieg, aus. Dreiundvierzig habe ich die deutsche Uniform angezogen. Zwei Jahre. Aus. Fünfundvierzig war ich wieder Pole. Bin es immer noch und will es bleiben, versteht ihr.«
    »Deutsch, polnisch, was ihr nur immer habt. Hauptsache, es geht den Menschen gut. Und es ging uns gut, nicht wahr? Bis er weglief.«
    »Rosa! Wie kannst du nur so reden.« Großmutter blickte sie streng an.
    »Richtig verstanden, Frau Bienmann, hat’s hier keiner«, sagte Gronski. »Da muss ich Rosa Recht geben. Im Kombinat die gute Stelle, eine nette Frau, zwei Kinderchen, eine schöne Wohnung. Bleiben hätt er sollen.«
    »Sag das der Schwalbe im Herbst«, antwortete Großmutter bitter. »Wird sie nicht fliegen? Ihr versteht ihn alle nicht. Es liegt den Bienmanns im Blut. Der Lukas Bienmann, mein Schwiegervater, der ist schon als Junge mit dem Segelschiff nach Amerika gezogen.
    Kristian muss das Gefühl haben: Ich bin mein eigener Herr. Gefällt’s mir nicht, dann suche ich mir eine andere Arbeit. Passt mir mein Vorgesetzter nicht, dann sag ich’s ihm. Drüben hat er schon die zweite Stelle in vier Jahren. Es ist wie bei unserem Wolf da auf der Ladefläche. Du hast’s ja gesehen heute Morgen, Rosa. An der Leine reißt er sich den Hals wund. Frei läuft er neben dir her. Du

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