Krock & Co.
bin. Ich will schlafen gehen…« Er gähnt so ausgiebig, daß es im Kiefergelenk knackt. Dann, ohne eine Antwort abzuwarten – das Meitschi hat genickt, und das genügt ihm – steigt er schwerfällig wieder in den ersten Stock hinauf. Wachtmeister Studer ist müde, er will schlafen, nichts als schlafen. Er ist ein älterer Mann, schon über fünfzig, kein junger Schnuufer mehr wie beispielsweise der Albert…
Albert?… Der Schwiegersohn?… Was hat der die ganze Nacht getrieben?… Man wird ihn fragen, denn man ist vor der Türe angelangt, der Zimmertüre, die eine schwarze »8« in weißem Felde trägt. Studer stößt die Türe auf – sie ist unverriegelt. Die Läden sind geschlossen, trotzdem ist die Luft erfüllt vom sommerlichen Fliegengesumm. Aus den Kissen des einen Bettes fährt ein Kopf in die Höhe, die blonden Haare sind verstrubelt…
– Natürlich, meint Studer mit teigiger Stimme, die Jugend könne nur eines: pfuusen! Während sich ältere Mannen die Nacht um die Ohren schlügen! Aber jetzt solle der Albert aufstehen! »Wach auf, mein liebes Schweizerland«, singt Wachtmeister Studer und erinnert sich plötzlich, daß im Zimmer nebenan ein Toter liegt. Er schweigt, wirft den Kittel auf einen Stuhl, den einen Schuh hierhin, den andern dorthin. Dann sinkt er aufs Bett zurück, gähnt noch einmal herzerweichend und gibt verschlafen seine Anordnungen:
Albert solle sich im Hintergrunde halten, sehen, was die Behörde mache. »Um zwei Uhr kannst du mich wecken«, sagt der Wachtmeister, »dann wird das Ärgste vorüber sein. Und kümmere dich ein wenig um die Wirtin, sie ist krank. Die Herren von der Behörde sollen die Frau in Ruhe lassen, verstanden?« »Ja«, sagt Albert, der Schwiegersohn. Er zieht sich an, wäscht sich…
– Albert solle ihm das Handtuch noch zuwerfen, sagt der Wachtmeister mit schon geschlossenen Augen, die donners Flüge seien so lästig… Dann, als Albert dem Wunsch nachgekommen ist, wickelt Studer seinen Kopf in das Tuch – und plötzlich ist er eingeschlafen. Albert, der Schwiegersohn, schleicht leise zur Tür hinaus…
Finsternis war um ihn, als Studer erwachte. Es wurde ein wenig heller, als er seinen Kopf vom Handtuch befreit hatte; und dann setzte er sich auf und lauschte dem Klopfen des Regens, der an die Läden poppelte, als wolle er Einlaß begehren…
Ein Uhr… Wo mochte Albert sein? Studer legte sich zurück, verschränkte die Hände im Nacken und dachte nach. Sein Kopf war klar – es war, als habe der Schlaf die Nebel, welche die beiden Mordfälle umgaben, gelüftet…
Zwei Mordfälle?… Warum zwei? Konnte die Behörde nicht beispielsweise annehmen, Herr Joachim Krock habe einen sensationellen Selbstmord begehen wollen? Die Gläser, mit Wermut gefüllt, hatten auf dem Tisch gestanden – wäre es dem Besitzer des Auskunfteibüros nicht möglich gewesen, selbst das Gift in sein Glas zu schütten? Gewiß, es war da noch die Pillenschachtel, die verschwunden war – aber konnte sie nicht ebensogut verräumt worden sein? Man wußte es zwar besser – aber konnte die Behörde nicht zu diesem Schluß gelangen?…
Etwas anderes war sicher – und Studer wunderte sich selbst, daß er von der Richtigkeit seiner Beobachtung so überzeugt war, daß er sie hätte beschwören können – die Loppacher hatte ihn angelogen! Die Loppacher und der Wirt Karl Rechsteiner hatten es vorausgesehen, daß der Wachtmeister verlangen würde, die Briefe zu sehen, die an jenem Abend diktiert worden waren. So hatten die beiden – deren Vertraulichkeit auffällig und verdächtig war – beschlossen, ihm erdichtete Briefe zu zeigen. Blieb die Frage offen, was für einen Grund die Bürolistin Loppacher gehabt hatte, um in das Haus des Grafen Ernst zu ziehen. In die Werkstatt… Es gab eine Erklärung, und sie lag auf der Hand – in der Werkstatt war etwas versteckt, so gut versteckt, daß es die Behörde gestern bei der Hausdurchsuchung nicht gefunden hatte. Was? Und wo war das »Etwas« versteckt?… Der Wachtmeister sah eine Hand mit bemalten Nägeln, ihr Ballen drückte auf die Spitze einer Feile. Und das Kreischen, Stahl gegen Stahl, klang wieder deutlich in seinen Ohren…
Die Wunde der Anni? Sah sie nicht aus, als sei sie mit einer Waffe gemacht worden, ähnlich der, die im Rücken Jean Stiegers gesteckt hatte?
Wozu dies alles, wozu? Wozu brauchte das Anni zweitausend Franken? Immerhin eine bedeutende Geldsumme, von der ihr Mann nichts wissen durfte!
Übrigens, hatte
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