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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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hatten. Hatte sie damit keinen Erfolg, rief sie die Polizei. Onkel Willi mischte sich nie ein.
    War endlich der letzte Gast gegangen, war es stets schon halb eins. Dann mussten die Mutter und Onkel Willi noch Kasse machen, und kamen sie danach ins Hinterzimmer und brannte noch immer die kleine Lampe über seiner Couch, schimpfte die Mutter mit Manni. Deshalb knipste er das Licht immer rechtzeitig aus und stellte sich schlafend. Das aber tat er nicht gern, denn dann begannen die Mutter und Onkel Willi manchmal schon nach kurzer Zeit miteinander zu tuscheln, und Onkel Willi ließ der Mutter keine Ruhe, bis irgendwann die Betten knarrten, die Mutter laut stöhnte und Onkel Willi immer heftiger zu ächzen begann. Geräusche, die Manni nicht ertragen konnte. Erst warf er sich auf seiner Couch hin und her, um auf sich aufmerksam zu machen, dann fragte er irgendwann laut: »Was ist denn?«, nur damit sie kapierten, dass er noch wach war, und endlich aufhörten. Es musste der Mutter doch wehtun, was die beiden da miteinander veranstalteten, weshalb stöhnte sie sonst so laut?
    Hatte er sich gemeldet, war für kurze Zeit Ruhe. Bis Onkel Willi irgendwann glaubte, jetzt wäre er eingeschlafen. Dann wälzte er sich erneut über die Mutter. Wehrte sie Onkel Willi dann ab, weil sie ahnte, dass Manni immer noch nicht schlief, wurde Onkel Willi zornig und hielt ihr, um ihre Proteste zu ersticken, den Mund zu. Da musste Manni dann das Licht anknipsen und mit doof verstelltem Gesicht »Muss ich schon zur Schule?« fragen. Eine Frage, die wie ein banger Aufschrei klang und endgültig für Ruhe sorgte.
    Einmal jedoch, und das war der Grund für Mannis Hausaufgabenstreik, war alles ganz anders. Da musste Onkel Willi der Mutter schon beim Kassemachen gesagt haben, dass er mit ihr schlafen wollte. Es war deutlich zu hören, wie sie vor der Tür »Heute nicht!« sagte. Es war ein scharfes, eindeutiges »Heute nicht!«, sie musste bereits die Geduld mit Onkel Willi verloren haben. Onkel Willi aber nahm diese Absage an sein Verlangen nicht ernst. Angetrunken blaffte er sie an: »Du machst, was ich sage, und damit basta!«
    »Für was hältst du mich denn?«, rief die Mutter, als sie die Kassette mit den Tageseinnahmen unter ihr Bett geschoben hatte und sich wieder aufrichten wollte. »Für ’n Nuttchen?«
    Onkel Willi stieß sie mit dem Fuß auf den Boden zurück. »Ich werd dir zeigen, wer hier was zu sagen hat!«
    »Du trittst mich?« Wieder wollte die Mutter hoch, doch ein neuer, schwerer Tritt in die Seite ließ sie zusammenbrechen und laut aufstöhnen.
    Da hielt Manni es auf seiner Couch nicht länger aus. Er sprang auf und wollte Onkel Willi von der Mutter fortzerren; mit einer fahrigen Bewegung stieß Onkel Willi ihn zurück, er schlug mit dem Kopf gegen das Büfett und blieb liegen. Und Onkel Willi trat immer weiter mit dem Fuß gegen die am Boden liegende Mutter.
    »Ruf die Polizei«, stöhnte sie.
    Er rappelte sich auf und lief zum Fenster. Sein Kopf schmerzte und brummte, doch er schaffte es, die Jalousie hochzubekommen, das Fenster zu öffnen und laut nach der Polizei zu rufen.
    Sofort ließ Onkel Willi von der Mutter ab, packte ihn und schlug ihm das Buch, in dem er gerade las, auf den Kopf. Immer wieder schlug er damit zu. Den Kopf unter den Armen verborgen ließ Manni die Schläge auf sich niederprasseln, bis die Mutter Onkel Willi von ihm fortzerrte, dann warf er sich auf die Couch und heulte, und die Mutter setzte sich zu ihm, streichelte ihn und weinte auch. Er roch, dass sie ebenfalls getrunken hatte, und schämte sich noch mehr.
    Von jenem Tag an konnte Manni die Mutter nicht mehr verstehen: Weshalb lebte sie nur mit diesem Mann zusammen? Sie konnte doch auch allein leben, hatte es oft genug bewiesen. Als ihr erster Mann gestorben war, führte sie die Gaststätte mit Tante Lucie allein weiter, bezahlte die Schulden, die dem dicken Georg so viel Angst gemacht hatten, brachte ihre beiden Söhne über den Krieg und später auch noch den dritten. Immer hatte sie gekämpft, immer hatte sie sich als tapfer erwiesen; wie konnte sie sich von diesem Schnurrbart-Meisel nur so viel gefallen lassen, weshalb schmiss sie ihn nicht einfach raus?
    Er war so verstört, dass er zu nichts mehr Lust hatte, erst recht nicht auf Schularbeiten. Es hagelte Eintragungen ins Klassenbuch und schlechte Noten, die Lehrer schickten Briefe an die Mutter; Manni war der Meinung, das geschah ihr recht. Zwar versprach er ihr, wenn sie mit traurigen Augen

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