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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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erst das wahre Glück, meine Steckenpferde zu haben.
    Manchmal fuhr Willem von der Hochschule in die Stadt. Besorgte sich die neueste Ausgabe eines naturwissenschaftlichen Magazins und setzte sich damit zu Macciavelli oder in die Wallanlagen. Manchmal erledigte er nebenbei auch Geschäftliches, kleine Zugeständnisse, um seinen Freiraum zu schonen, und als seine Mutter ihn fragte, wie weit er mittlerweile über Stoffe und Tuchwaren informiert sei, machte er sich auch an diese Arbeit. Doch er mußte schnell feststellen, daß es solche Fachgeschäfte kaum noch gab. So zog er seine ersten Informationen aus der Bibliothek, und erst später fiel ihm ein, in die Abteilungen der großen Warenhäuser zu gehen.
    Die Ballen dort waren fast durchweg Kunstfaser, doch er traf eine ältere Verkäuferin, die sich mit handgewebten Naturstoffen auskannte, und er machte sich Notizen zu Material, Qualität oder Preis. Später entschied er, noch einen kurzen Blick auf das eingesessene Bremer Geschäft zu werfen. Es lag in einer schmalen Straße, ein sehr altes, schlankes Speicherhaus aus roten Ziegeln. Die beiden Schaufenster waren dezent und exklusiv hergerichtet, auf dem Wendeschild in der Tür stand Geöffnet. Willem sah, daß die Milchglaskugeln in dem Geschäftsraum leuchteten.
    Er saß bei Macciavelli, trank Espresso und sah aus dem Fenster. Die Bäume waren kahl, und zum Morgen war Nebel aufgestiegen und hatte sich in Eiskristallen über die Äste gezogen. Als der kleine Italiener an seinen Tisch trat, machte er ein freundliches Gesicht und zeigte hinter den Tresen. Willems Kollege sei am Telefon und wolle ihn sprechen. Kollege? sagte Willem. Und Macciavelli in seinem Tonfall sagte: Schlosser.
    Schlosser war tatsächlich in der Leitung. Er hatte es aus einem Gefühl heraus einfach versucht. Seine kleine Bude nannte er einen Segen, doch die Beziehung zu Gisela sei sehr kritisch geworden. Es gehe ihm nicht gut. Er wisse nicht, was richtig und was falsch sei, und er vermisse Willem.
    Auch in der nächsten Zeit telefonierten sie über Macciavelli. Schlossers Vater schien Fortschritte in der Entziehung zu machen, Schlosser war von seinem Studium begeistert, und Willem erfuhr Neuigkeiten aus der Kommune. Astrid hatte schon wieder einen Arm in Gips, Stirner mußte eine Halsmanschette tragen, damit ihm sein Kopf nicht immer wegknickte, und Helmut hatte ein Traktat verfaßt mit dem Titel: Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners.
    Willem erfuhr auch, daß Gisela mit den Photos aufgehört hatte, sie kiffte nicht mehr und tauchte immer tiefer ein in die Sache. Schlosser wußte kaum noch, mit wem sie sich traf. Er wußte nicht, ob womöglich jemand vom Verfassungsschutz an ihr dran war, und wenn er von Trennung sprach, weinte sie, und ihre Tränen offenbarten ihm jedesmal die Tragödie in ihrem Elternhaus.
    Dann erfuhr Willem, daß die Situation noch empfindlicher wurde; Schlosser hatte sich neu verliebt. In eine Doktorandin an seiner Fakultät, sie wohnte ganz in seiner Nähe; sie trafen sich im Café, sie gingen mit dem Teleskop auf den Kreuzberg. Sie hatte ihm einen Posten im Ethnologischen Museum besorgt, und sobald er volljährig sei, sagte Schlosser, werde er die Zwillinge nach Berlin holen. Gut möglich, daß seine Bude dann frei würde.

25
    Stoffe und Tuchwaren. Das Schild war handgemalt, und der Name Focke erschien in einer schön geschwungenen Schrift. Der Galgen im Spitzgiebel stand gegen einen grauen Himmel, an Seilwerk und Blöcken sammelten sich dicke Tropfen. Das Wendeschild in der Tür zeigte Geöffnet, und als Willem eintrat, schlug eine Glocke.
    Er stand in dichter, warmer Luft, und es war auf Anhieb ein angenehmes Gefühl – eine seltsam eingefleischte Wärme, durchwachsen von Gerüchen, in denen sich unbekannte Zeiten spannten. Die Dielen waren dunkel, die Regentropfen perlten darauf und auch das Licht aus den Milchglaskugeln. An den Wänden standen Regale mit Stoffballen, zum Fenster hin zog ein massiver Holztresen mit einer vom Gebrauch blankgescheuerten Platte. Hinter dem Tresen teilte sich ein Vorhang, und eine Frau erschien. Sie wirkte müde und hatte Ringe unter den Augen.
    Willem lächelte. Im Wetterbericht wurde uns sonniger Herbst angekündigt. Anscheinend war die Prognose falsch.
    Die Frau sah ihn an. Dann ging sie durch den Vorhang und kam mit einem Handtuch zurück.
    Willem trocknete sein

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