Kronhardt
gemacht.
Und Willem erstarrte.
Wie man hört, habt ihr ein Stelldichein.
Und unter der Erstarrung spürte er die Risse.
Die Mutter kam und strich ihm über den Kopf.
Natürlich hat er ein Stelldichein. Dann breitete sie Handtuch und Waschlappen aus, und ihre Finger glitten über den Schwung der Buchstaben. ErfaÃten die Ãsthetik dieser geschlossenen Aneinanderreihung, und schlieÃlich hielt sie die Vollendung sichtbar in die Luft.
Wunderbar, und Kronhardt klatschte seine Hackstücke in die Seele der Frau.
Willem zerfiel unter der grausamen Lust der Alten.
Mit archaischem Geheul machten sie sich über die Bruchstücke her, und mit ihrer ungeheuerlichen Macht setzten sie daraus ihre Nachbildung zusammen.
Barbara! Barbara! So standen die Worte in der Luft, und diese Alten waren Teufel. Teufel seit jeher, denen nichts verborgen blieb. Was für eine geisterhafte Fernwirkung, die sie sich zunutze machen konnten.
Willem war geschlagen. Das Herz zerrissen, alle Visionen zerhackt und eingestampft in die Wirklichkeit der Alten. Tränen kullerten ihm heraus, und auch sein Vater hatte nichts gegen diese Teufel vermocht. Sie wuÃten Bescheid, bevor man selber noch daran dachte. Und jetzt griffen sie nach Barbara.
Der Mann vom Wetterdienst hatte vor seinem Triptychon gestanden. Er war eingeweiht, wuÃte, was Sache war, und hatte seine Wahrheit den Willigen offenbart. Selbstgefällig und unerschütterlich im Mittelpunkt der Welt, hatte er aus dem Fernseher gesprochen und Willem in seiner Art auf Anhieb an die Alten erinnert.
Und als Willem am nächsten Morgen in den Tag stieg und feststellen muÃte, daà das vorhergesagte Regengebiet tatsächlich gegen die Stadt zog, fühlte er sich um so mutloser. Zum Mittag hin setzte sich dann auch noch die angesagte Aufklarung durch, und er fühlte sich endgültig jenen Kräften der Alten ausgeliefert, die ihn von Anfang an machtlos gehalten hatten. Als wäre noch sein Glaube an die Tiefe und Unerreichbarkeit in sich ein falscher Schluà und die Alten wüÃten seit jeher Bescheid und würden auch dort mit klarem Blick sezieren.
Tauben bildeten nervöse Haufen um die Bratwurstreste, eine Hosteà führte durch die BöttcherstraÃe bis vors neue Glockenspiel, doch erst im Schnoor brach der Widerwille in ihm auf. Die Geschichte von Auswurf, Armut und Judenblut schien wunderbar verwandelt, eine märchenhafte Sterilität wie hinterm Plastik einer Schneekugel, und Touristen aus dem Binnenland oder Fernost flanierten jetzt, Agfacolor oder Pentaxchrom vor der Brust, jeder Klick ein Negativ für eine friedliche Geschichte in der Zukunft, kein Terror mehr, kein Völkermord, nur eine glitzernde Schneekugelwelt, die man mit nach Hause nahm. So sah Willem auf die Touristen, ein neues Phänomen, das die einstige Berichterstattung um Trümmer und Wiederaufbau längst verdrängt hatte und das nun ein Faktor war im deutschen Wirtschaftssystem. So zog er mit Widerwillen durch die hochglanztaugliche Neuordnung, den heimatlichen Stolz, doch in Wirklichkeit war es einfach nur die Angst vor den Alten. Es war ihm unbegreiflich, wie sie wissen konnten, was sie wuÃten. Er fühlte sich hilflos gegen diese Teufel und grausam ausgehöhlt bei dem Gedanken, daà auch Barbara bereits in ihre geisterhafte Fernwirkung eingebunden war. Und schlimmer: womöglich mit den Teufeln unter einer Decke steckte.
Als er das Lokal gegen 18 Uhr erreichte, zogen Schäfchenwolken unter der Stratosphäre. Genau wie der Mann vom Wetterdienst vorhergesagt hatte.
Stint.
Unter anderen Voraussetzungen wäre ihm die Schrift womöglich nicht aufgefallen. Die Buchstaben kurvenlos, ohne Bauch oder andersartige Schnörkel. Eine Schrift, die den blumig-muscheligen Zeitgeist verweigerte, als hätte es böse Zackigkeit nie gegeben.
Das Gebärden des Obers erschien ihm zuerst unterwürfig, dann konspirativ. Er war auf der Hut, als der Mann ihn an den Tisch geleitete.
Barbara stand auf und umarmte ihn. Ihre Augen leuchteten, und dann spürte er, wie es warm aus ihrem Körper strömte.
Was hast du, sagte sie.
Nichts.
Sie saÃen einander gegenüber, und er wich ihrem Blick aus.
Der Ober verbeugte sich und überreichte die Karten.
Willem?
Er blätterte in der Karte, sagte nichts.
Während der Hechtsuppe betrachteten sie sich löffelweise.
Sie manipulieren das Wetter.
Wie bitte?
Pfuschen rum an den
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