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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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durchgesetzt. Als Zeichen der Versöhnung hatte sie dann den Rock angehoben und ihre neue Wäsche präsentiert – ein Akt, der die äußere Steifheit dramatisch verwandelte, doch Willem war auf die Reize nicht angesprungen.
    Als sie das Speicherhaus verließen, wirkte er in Cord und Rollkragen auffällig leger neben ihr. Am Auto nahm er ihr weder den Mantel ab, noch hielt er den Schlag auf.
    Der Käfer rollte untertourig über die Martinistraße. Als die Glühspirale rausschnalzte, kurbelte er das Fenster herunter, und Barbara spürte, wie der Wind ihr Kopftuch bauschte. Sie blies den Rauch absichtlich in seine Richtung, doch Willem hielt sich stur am Lenkrad und blickte nach vorn. Nicht mal als sie Grimassen schnitt und seine Haltung nachäffte, wendete er den Kopf.
    Kronhardt hatte den Mercedes vor der Garage gelassen, und Willem parkte in der Auffahrt.
    Laß uns wieder vertragen, sagte Barbara, und Willem sagte, kein Problem.
    Sie kam rüber und küßte ihn. Dann flüsterte sie: Opportunismus kann ein nützliches Mittel sein.
    Sie grinste, und Willem wußte nicht, ob sie ihre Worte ernst meinte. Er hielt ihr den Schlag auf, holte ihren Mantel von der Rückbank und half ihr hinein. Wahre Rebellion läßt sich nicht auf Klamotten reduzieren, sagte sie, drehte sich mit fliegendem Mantel um und stieß ihre Zunge vor. Und Willem spürte, wie dieser Vorgang mühelos alle Krusten in ihm durchbrach. Als wäre diese Frau seit Jahren mit ihm vertraut; als wüßte sie um all seine Stärken und Schwächen.
    Als sie die Stufen nahmen, klapste er auf ihren Hintern. Und natürlich hatte Barbara recht: Die Spitze unter der konservativen Strenge war rebellischer Grundsatz genug.
    Die Mutter hatte einen festen Händedruck und schnelle Augen. Sie war beeindruckt, daß es noch Frauen gab, die sich so zu kleiden wußten, und sie versuchte erst gar nicht, ihre Neugier zu verbergen.
    Kronhardt küßte Barbaras Hand. Sein grelles Tuch gab ihm einen Schuß Jugendlichkeit, die sofort ansprang, als Barbara ihm unverhofft die Brust entgegenstreckte. Er machte Komplimente, servierte Wein und gab Willem schnippend Order, einen Ascher zu besorgen. Hinterrücks aber beklagte er sich über Barbaras Angewohnheit und fand es unverschämt, mit was für einer Selbstverständlichkeit sie ihr Etui auf dem Tisch plaziert hatte. Seine Frau lächelte und meinte, daß diese Barbara trotz ihres Lasters einen sehr selbstbewußten Eindruck mache; im Gegensatz zu Willem wisse sie genau, was sie wolle und worauf es ankomme. Kronhardt stimmte ihr zu, und danach hatte er ein Feuerzeug in der Tasche.
    Barbara machte alles richtig. Sie gab Kronhardt Gelegenheit, sich ins rechte Licht zu rücken, und sie erriet die Rezeptur des Bratens, nicht aber den entscheidenden Trick der Köchin. Sie sagte Plauderei anstatt Small talk, und wenn sie Jargon benutzte, war er stofflich oder hanseatisch. Sie wußte viel, aber sie wußte nichts besser, und Willem hatte manchmal das Gefühl einer unheimlichen Perfektion. Als wäre die ursprüngliche Entfernung zwischen den dreien längst aufgelöst, als wären sie wunderbar aufeinander abgestimmt.
    Er schämte sich für sein Mißtrauen. Und er ärgerte sich über die Alten und gab ihnen die Schuld an seiner Scham, weil sie ihm ein Leben ohne Mißtrauen nie ermöglicht hatten. Doch es gelang ihm nicht, seine Gedanken an Verschwörung und geisterhafte Fernwirkung zu überwinden. Seine Sinne blieben geschärft, während er sich um eine beiläufige Haltung bemühte; sich Soße vom Kinn wischte, seine Kommentare abgab oder lachte, um zugleich hinter jeder neuen Haltung der Alten eine Zweideutigkeit zu entlarven. Und so saß er mit den Alten am Tisch. Lauschte, während er belauscht wurde, plauderte, lachte und sah ihnen vergnügt in die Augen. Und Barbara lachte mit ihm, stieß ihn mit dem Fuß oder küßte ihn. Und nach dem Dessert wollte sie seine Hand auf der Spitze unter ihrem konservativen Rock.
    Später begleitete Barbara die Frau des Hauses, um noch einmal auf ihren ausgezeichneten Krustenbraten zurückzukommen. Kronhardt schlug dem Stiefsohn auf die Schulter und schenkte Weinbrand ein. Küchengespräche. Was, mein Junge.
    Zur Betriebsbesichtigung eilte der Alte voraus. Eine Maschine ratterte, als er die kleine Gesellschaft erwartete. Wie eine Koryphäe lotste er

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