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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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sie sicher, ihre Ziele erreichen zu können. Ihre Hand strich über seinen Kopf, fuhr durch sein Haar. Halt mir den Rücken nur ein bißchen frei, ja. Das gehört zu deinem Halbtagsposten. Wir haben Ziele, Willem. Ihre Lippen waren weich und warm. Ein schönes Landhaus mit Jaguar. Zeit für uns. Verreisen; Kreta, die Dordogne, Mexiko. Wohin wir wollen.
    So saßen sie bei Hector Luna und feierten Willems Diplom.

32
    Also wollen Sies bombensicher?
    Ja.
    Recht so, mein lieber Kronhardt. Aber ganz so einfach geht das nicht.
    Was ist dabei?
    Erst mal werden wir die Vermehrungsleistung an sich überprüfen.
    Wozu soll das gut sein?
    Doktor Blask saß hinter seinem Schreibtisch. Er trug eine Brille mit großer Fassung, die sein Gesicht mit der gebogenen Nase noch vogelartiger machte. Erstaunlich, nichtwahr. Daß wir Männer nie an unserer Fertilität zweifeln. Er grinste. Nun, und danach muß Ihre Frau ran. Warum einen Eingriff vornehmen, lieber Kronhardt, wenn womöglich biologische Prädispositionen vorliegen?
    Warum sollte einer von uns unfruchtbar sein?
    Warum denn nicht.
    Dann schlug er auf den Schreibtisch. Früher reichten Revueblätter völlig aus. Aber seit beinah jeder so einen Fernsehapparat stehen hat, scheint alle subjektive Phantasiebegabung zu verkümmern. Der Kopf des Doktors hackte. Oder anders gesagt: Die Verkümmerung wird dahin gesteuert, daß kommerziell ausschlachtbare Ersatzlandschaften entstehen. Ein Schäferstündchen im Heu, das haut heutzutage niemanden mehr aus den Socken. Jeden neuen Tag wollen sie das Härteste.
    Wie halten Sie sich da auf dem laufenden, Doktor?
    Amerika.
    Blask zog eine Lade und hievte einen Stapel Magazine auf den Schreibtisch. Kopro, Nekro, Torso. Alles da.
    Meine Fresse. Und die Männer saßen und blätterten.
    Was, Kronhardt. Diese Amis. Kreuzigen ihre Darwinisten und knocken ihre Atombomben.
    Seltsame Menschen.
    Ach was. Man kann die Wurzeln der menschlichen Degeneration ganz klar in der Geschichte nachverfolgen. Aus jedem Krieg, aus jedem Genozid treiben die perfiden Methoden weiter aus, die Katastrophen sind der Nährboden unserer Zukunft. Doch lassen Sie uns beim Thema bleiben, Kronhardt. Kommen Sie! Suchen Sie sich eins aus – Grazien mit Amputationsstumpen, zerfetztes Camouflage, alles da. Oder hier, was Altmodisches mit Stutengestell und Bockbeschälung. Oder hier: Plastik.
    Willem zuckte mit den Schultern.
    Kommen Sie, Kronhardt. Sie unterschätzen das. Eine ärztlich verordnete Entleerung kriegt nicht jeder so einfach hin. Das mündet in der Kabine ruckzuck in Blockade.
    Dann geben Sie mir eben was Normales.
    Ich hab nichts Normales.
    Kein Nullachtfuffzehn?
    Das ist es ja, Kronhardt. Die wollen kein Nullachtfuffzehn mehr. Ein angedeutetes Schäferstündchen im Heu, ein bißchen Busen, wie gesagt, das haut heutzutage kaum noch jemanden aus den Socken. Die subjektive Phantasiebegabung verkümmert, und zugleich wollen sie jeden Tag etwas Härteres. Und so zog der Doktor ein paar Magazine aus dem Stapel und schickte Willem damit in die Kabine.
    Willem war überrascht, wodurch man sich sexuell erregen lassen konnte, und stieß auf ungeahnte Nischen. Gegenstände und Eigenschaften konnten eins und anscheinend beliebig mit Raserei besetzt werden. Hinten in den Magazinen gab es Extraseiten für Reklame und Anzeigen – Abfälle aus der Kinderchirurgie etwa, Materialien aus der Waffenfabrikation, Kontakte jeder Art.
    Willem fiel es schwer, eine Nische zu finden, die noch nicht besetzt war; zugleich war er sicher, daß es noch jede Menge weiße Flächen gab – Sex: Sie nagelten den Affen ans Kreuz und fickten die Atombombe.
    Er legte die Magazine weg, und eine Höhle schien ihm eine gute Basis.
    Stille, die Dunkelheit sanft durchflackert, und in der milden Steinluft Wölkchen von Manganoxid und köchelndem Fett. Auf einem Holzgerüst über ihm, mit Blasrohr und fein gefranstem Stöckchen, eine Frau. Sie trug das weiße Fell einer Hirschkuh auf ihrer Haut, und aus der Tiefe waren ihre Merkmale zu sehen. Willem konnte die Impulse bis in seine Seele spüren, wie Hormone in Schweiß verdampften, und er witterte die Spuren von Schwertlilie und Ton. Und am Höhlendach sah er das Przewalski-Pferd stehen, und die Frau, als empfinge sie Signale aus einer anderen Welt, malte Gitterlinien und Punkte um das Pferd, eine entrückte Sache, und während Willem

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