Kronhardt
Spalt.
Instandsetzung und Umbau verliefen im Speicher von oben nach unten, und wenn Willem mittags aus der Stickerei kam, schnappte er sich den Bauleiter, und gemeinsam gingen sie die Liste mit Barbaras Anweisungen durch.
Im weiteren Verlauf war geplant, daà der Wohnraum übergangsweise in eins der fertigen Geschosse verlegt würde, so daà die Arbeiten im unteren Teil zugleich den Abschluà bilden sollten. Es gab keine Anzeichen dafür, daà dieser Plan irgendwo schwächelte.
Auch im Neubau keine Anzeichen. Im Gegenteil, die Alte konnte Stichproben machen, wo und wann sie wollte, jedesmal schien die Produktionshalle nur zu neuer Schönheit aufgefaltet; zu Sinn, der den leeren Raum erfüllte und alle ReiÃbrettzeichnungen übertraf.
Auch das ehedem verwilderte Gebiet mit der Bauernruine und dem Teich im Hintergrund â eine Beleidigung des Kulturzustands, wie der Senator es in kleiner Runde auf dem JagdschlöÃchen so treffend formuliert hatte â erschien wunderbar plan und versiegelt. Und wo einst Frösche und Libellen eine Brutstätte zu massenhafter Vermehrung gefunden hatten, konnte die Alte jetzt miterleben, wie guter Geschmack installiert wurde.
In bester Lage und für alle sichtbar, so würde die Halle dastehen. Wie ein Denkmal, meinte sie, mit der Aufschrift Kronhardt&, na ja, dann eben &Focke. Wie ein Denkmal also, das den sinnlosen Raum mit seiner gediegenen Gestalt ausfüllte und das gerüstet war, nicht nur die Bedürfnisse eines wachsenden Marktes zu befriedigen, sondern im Verbund mit dem Mutterhaus die Bedürfnisse selbst zu erzeugen. So sah die Alte die wunderbare Auffaltung und spürte dabei, trotz der täglichen Kalenderkreuze, einen durchdringenden Stolz.
Die Produktionsverlegung aus dem Hartmann-Haus in den Neubau war sukzessive geplant. Eine fein austarierte Logistik, die die Maschinen nicht nur übergangslos rattern lieÃe, sondern den Park zugleich aufstocken und verjüngen sollte.
Um diesen Plan umzusetzen, muÃten die Frauen hellwach und präsent sein, denn bei aller Voraussicht blieb immer eine Spur Unberechenbarkeit â quasi höhere Gewalt, gegen die man aber jederzeit mit einem B-Plan auftreten konnte. Daà zuletzt dann alles mit unglaublicher Präzision ineinandergriff, muÃte AuÃenstehenden wie ein Glücksfall erscheinen. Die Frauen aber wuÃten es besser, und in einem stillen Augenblick lieà die Alte sich dazu hinreiÃen, Barbara zu umarmen.
Später, als Barbara die Umwandlung aller Strategie längst feierte und die materielle Wirklichkeit inklusive Willems nutzlosem Samen mit Champagner begoÃ, stand die Alte vorm Kalender. Vor der Wand wie vor einer Zukunft.
Der Speicher wirkte nach dem Umbau auf Anhieb dynamisch; eine beinah geisterhafte Transformation der inneren Bilder Barbaras, die sowohl die Tradition der Focke-Linie betonten wie auch die Anforderungen der Zukunft. Im Verbund mit dem Architekten hatte sie auf die im Grunde zeitlose Konstruktion des Gebäudes gesetzt, und so kam die dynamische Wirkung vor allem durch die Auffrischung des Alten zustande; Stützbalken, Treppen und Dielenbretter waren feingeschliffen und geölt, und hinter den blaÃroten Mauern mit den frischen Fugen lag ein neues System von Leitungen. Sämtliche Fenster waren aufgearbeitet und doppelverglast, im Spitzgiebel waren zwei groÃzügige Dachlichter installiert, und die Flügeltüren, durch die der Galgen früher die Waren rein- und rausgehievt hatte, war ersetzt worden durch baugleiche Türen mit Sprossenfenstern.
Als einzig radikales Merkmal fiel die Entfernung der alten Milchglaskugeln auf, die durch moderne Strahler ersetzt worden waren â seltsam leistungsstarke Dinger, die in der Decke versenkt waren, jeden Winkel ausleuchteten und ständig im Zenit standen. Willem sah diese Neuinstallation als schwerwiegenden Eingriff und unterstellte zudem einen subtilen Eindruck von Ãberwachung, doch Barbara lieà sich auf solche Diskussionen erst gar nicht ein. Schön auf dem Sofa liegen, meinte sie, Phantasien von Ãberwachen und Strafen entwickeln, und alles zugunsten einer Kugellampe. Während der Rest ihn nicht die Bohne interessiere.
Nach dem inneren Gehalt ging sie das äuÃere Erscheinungsbild an und setzte auch hier auf nachhaltige Auffrischung und behutsame Erneuerung. Bereits die Reinigung der Fassade wirkte wie eine wunderbare Häutung â hinter
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