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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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für sich verbuchen. Im Gegensatz zum Bausenator war er ein geradliniger Mann und stand in dem Ruf, sich nicht für Kungelei zu interessieren. Unter vier Augen ließ er Barbara wissen, daß er den Hut zog; weniger geschäftlich, obwohl ihm die Prosperität seiner Stadt natürlich am Herzen liegen müsse, als vielmehr menschlich, da Barbara vor allem den Blick der jüngeren Bürger für eine Vergangenheit schärfe, die jenseits dieser unfaßbaren Katastrophe lag. Ein Schmuckstück, Ihr Speicherhaus, sagte er, und ein Denkmal unserer Stadt.
    Willem gab bei einem Gläschen zu, den Bürgermeister für einen integren Mann zu halten. Nichtwahr, sagte er, soweit sie einen integer sein lassen, und der Bürgermeister fiel ganz offen in Willems Lachen. Er schien sich in der Runde wohl zu fühlen, und zweimal wiegelte er seinen Sekretär ab, der an weitere Termine erinnerte.
    So schlenderte die Gesellschaft durch den Speicher, so trafen sie sich an den Tischchen. Das Knarzen der Dielen und Stiegen schaffte einen wohligen Hintergrund, der Plauderton schwang leicht und immer an der Schwelle zum Gelächter, und Häppchen und Getränke waren so erlesen, daß alles Ordinäre sich wie von selbst in fraglose Gefälligkeit verwandelte.
    Willem drückte die Hand des Bürgermeisters, er stieß mit ihm an; er spürte die unvermeidlichen Deutschmeister-Schläge auf seinem Rücken, er nahm ein Gläschen mit der Reedersgattin und ahmte rings die eingeweihte Etikette nach, ohne daß sie es merkten; er offenbarte das Ordinäre, um es sogleich mit vertrauter Aufgeblähtheit wieder zu verwischen; er entblößte den Senator oder den Architekten, und noch bevor sie dahinterkamen, hatte er auch diese Spur schon wieder verwischt und gab sich beeindruckt von ihrem Scharfsinn und Humor. Nur einmal, als er sich gewissermaßen auf ein Duell mit Meyer-Lansky einließ, geriet seine seit den Kellerbarzeiten recht sattelfeste Strategie in Gefahr, und der Berater, obligat in Nadelstreifen und mit Zigarre, war drauf und dran, ihm eine Lektion in Sachen Entblößung zu erteilen. Doch Barbara war schnell genug; sie fing die Schlauheit ein, die so plötzlich aus den Augen des Beraters drang, und umwickelte noch diesen erfahrenen Mann mit ihrem klugen Charme, so daß Willem und Meyer-Lansky bald miteinander scherzten wie alte Weggefährten.
    Tatsächlich schien Barbara überall zu sein und Ereignisse bereits zu sehen, bevor sie eintraten. Sie verstand es, ihre Finessen aus dem Badezimmer so diskret in diese Welt einzubringen, als würde sie es nie und nimmer auf irgend etwas anlegen, und wenn sie in einem Ausdruck noch extra hübsch oder interessant erschien, so lag das allein im Blick des Betrachters. Sie weckte Phantasien auf allen Ebenen, sie knüpfte Bekanntschaften aus Bekanntschaften, und meist war auch Inéz ganz in der Nähe. Auch sie erschien hübsch oder interessant, jedoch auf eine andere Art, und so hinterließen die Frauen auch als Gespann ihre Spuren. Beziehungsweise mit Willem als Trio; denn trotz – oder gerade wegen seiner seltsamen Unberechenbarkeit, die sich stets in verläßlichen Humor verwandelte, ließ er nicht mal in saloppem Cord einen Zweifel an seiner Nähe zu den Frauen.
    Auch den Alten konnte die Ausstrahlung der jungen Gastgeber nicht verborgen bleiben; um so weniger, da beide sich um die Hauptrolle betrogen fühlten. Doch Kronhardt stolzierte geckenhafter denn je durch die Gesellschaft, und seine Frau hielt noch ihr Lächeln, wenn aus der Eingeweidemuskulatur die sauren Stöße zerrten. Nichtsdestotrotz hatten die Alten aber Erfahrung genug, um in der Atmosphäre dieser, wie Kronhardt es nannte, wunderbaren Inauguration die Vorteile zu erfassen. Die Alte ließ sich dem Chefredakteur vorstellen und nutzte gegenüber dem Mann vor allem den Eindruck ihrer Schwiegertochter, um ihrem eigenen Wunsch nach einem Beitrag über die Bremer-Stickerei-Manufactur das rechte Gewicht zu geben; der Chefredakteur versprach ihr, sich zu melden, und so paßten die Alten sich im Grunde ganz ausgezeichnet an, was Kronhardt dann auch auf den Punkt bringen mußte: Nichtwahr, meinte er, Tradition und Fortschritt, und für ein Photo entblößte er seine Zähne und nahm die Spanierin in den Arm.
    So also lief die Eröffnung. Diese Art offizieller Termin, und als die Gäste den Speicher verlassen hatten, war

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