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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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der Sonne erkannte er Admiral und Schwarzdornfalter, zwei Exemplare, die prächtig genug wären für Kronhardts Sammlung, und während er dasaß, kam der Admiral zurück und landete auf seiner Hand. Erste Fledermäuse durchzuckten die Abendröte, und aus den langen Schatten der Obstbäume stieg das Gefühl von Endlichkeit. Zur Dämmerung trieb Feuchtigkeit die Gerüche, hinterm Zaun markierte eine Taschenlampe den Wachmann, und als der Mond aufging, wurde er sogleich von der großen Bauherrentafel verdeckt. Das hieß, je nach Blickwinkel, denn jenseits des Zauns beleuchtete der Mond die Tafel und all die großen Namen darauf.
    Zum ersten Spatenstich hatte Kronhardt Lederstiefel gekauft plus eine Hose, die unterhalb der Knie in den glänzenden Schäften verschwand. Er hatte ein Halstuch in grellen Farben gewählt, und so posierte er für die Photographen: das Kinn in die Höhe, den Stiel fest im Griff, ein Fuß auf dem silbernen Blatt. Als würde er einen anderen Planeten in Besitz nehmen. Danach der Handschlag mit dem Senator, der Handschlag mit dem Architekten, und die Motoren der Kameras surrten.
    Dann rückten die Maschinen an.
    Nach diesem Spatenstich bekam Kronhardt den Architekten nicht wieder zu Gesicht. Was es zu regeln gab, regelte der Architekt mit den Frauen, und bald waren sie zwischen Terminen und Baustelle so beschäftigt, daß das tägliche Geschäft bei den Männern blieb.
    Willem hatte damit kein Problem; er arbeitete konsequent halbe Zeit und erledigte, was zu erledigen war. Doch Kronhardt investierte viel in den Glauben, daß die Fäden aller Projekte bei ihm zusammenliefen, und wo immer er auftauchte, schien seine hagere, aufgeschossene Gestalt noch zu wachsen. Manchmal stolzierte er mit den neuen Stiefeln durch die Produktion, als hätte er Entscheidungen für die ganze Welt zu treffen. Und wenn er dann heilloses Durcheinander hinterließ, delegierte er diese profanen Dinge einfach an Willem.
    Doch Willem lachte nur. Erledigte konsequent seine Arbeit, und wenn der Alte hinterherhinkte, war ihm das egal. Diesbezügliche Beschwerden leitete er umgehend an ihn weiter, er lehnte jede Diskussion darüber ab und verwies im übrigen darauf, daß die Frauen die Aufgaben verteilten und der Alte ihnen Rechenschaft abzulegen hatte. So ließ er das tägliche Rattern nach einem halben Tag hinter sich, während Kronhardt immer häufiger bis in die Nacht saß, um Versäumtes aufzuholen.
    Wenn Barbara abends nach Hause kam, war alles vorbereitet. Der Tisch gedeckt, ein Wein dekantiert, und womöglich brachte er dann noch ein bißchen Öl über den Salat und ließ Zander in die Pfanne gleiten. Er sorgte für passende Musik und Kerzenlicht und konnte darin eine Verfeinerung sehen, die in archaischen Zeiten wurzelte. Und wenn sie dann gemeinsam die Befriedigung eines guten Essens verspürten und rings die feine Art das Leben verschönerte; wenn das Lagerfeuerhafte tiefe Schichten aufbrach und ihren Geist frei machte von den alltäglichen Behaftungen, wenn sie lachten, womöglich mit einem spritzigen Grünen zum Zander anstießen oder einer auf dem Weg zum Plattenspieler sanft unter die Kleider des anderen glitt, konnten sie nicht sagen, ob ihr glückliches Gefühl Ursache war oder Resultat.
    Später saßen sie auf dem Sofa, und seine Stimme verschob alle Maßstäbe; seine Geschichten vom Urknall bis zum Menschen weichten das knallharte Geschäft des Tages auf, und die Welt wurde wunderbar frei von allem Hintergrundrauschen.
    Am Wochenende fuhren sie über Land; machten Abstecher an die Küste oder ins Teufelsmoor, und wenn Willem Tiere im Feldstecher hatte und versuchte, die Welt mit ihren Augen zu sehen, konnten sich für Barbara alle Probleme des Tages lösen; wenn Willem eine Bärlapplinie entdeckte, die bis hinter die Dinosaurier langte, oder beim nächtlichen Picknick eine Nachbargalaxie ins Teleskop holte, meinte Barbara manchmal, von seiner Begeisterung durchdrungen zu werden und all diese anderen Welten in sich spüren zu können. Und abends dann, wenn sie im Bad stand und ihr Lächeln im Spiegel erhaschte, wußte sie, daß es nicht ihr Alltagslächeln war.
    Schon damals, als Barbara sich gewünscht hatte, er möge ihr ein bißchen den Rücken frei halten, war klar gewesen, daß damit nicht mehr Zeit im Betrieb gemeint war. Zugleich wußte Willem

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