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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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großzügigen Lichtung mit streng in Form gestutzten Buchsbaumhecken und einer schönen Reihe von Rüster-Ulmen nach Norden. Die Auffahrt war eine Schleife mit Skulptur in der Mitte, und Barbara parkte salopp zwischen den anderen Limousinen.
    Zum Rehrücken saßen sie auf dem terrassenartigen Balkon des Südflügels. Bankdirektor Lasalle, der zugleich Schloßherr war, lenkte von Anfang an das Gespräch; er ging die Themen gemütlich an, zeigte sich als Weltmann mit Witz und ließ den anderen genügend Raum zum Abwägen. Zu seiner Rechten saß Meyer-Lansky in braunem Nadelstreifen; er sprach nicht viel, qualmte an einer Zigarre oder zog einen Block aus seiner Ledertasche und notierte etwas. Der Bausenator war ein alter Haudegen; er tranchierte ebenso geschickt, wie er Austern schlürfte, er kannte das ganze Prozedere und aß mit unverhohlener Lust. Er versuchte erst gar nicht, seine Blicke in Barbaras Ausschnitt zu verbergen, und sein aalglatter Ressortchef wirkte wie ein altgedienter Genosse.
    Zum Dessert erschien der Sohn des Bankdirektors mit seiner Gattin, die jetzt von Kattenesch-Lasalle hieß. Beide sahen glänzend aus und schienen großen Wert auf Distinktion zu legen, so daß die Gesellschaft gar nicht anders konnte, als sich vor den Verpflichtungen des jungen Paares zu verbeugen, die ganz offenkundig jenseits aller Tischverhandlungen lagen.
    Vor dem Kaffee flanierten sie durch die Buchsbaumreihen; die Schwiegermutter sah, wie Barbaras Berechnung aus Nuancen und Stil auf die Erwartungen wirkte, und sie spürte die gekoppelte Energie. So zogen sie jetzt gemeinsam durch diese Männerwelt, und als der Mercedes die Auffahrt zurück gegen den Wald rollte, hatte sich bereits Dämmerung gesetzt. Die Scheinwerfer durchstachen die Mailuft, und kurz bevor die Poststraße endete, tauchten Wildschweine auf.
    Ein wunderbarer Glücksfall, schrieb die große Zeitung, daß so ein Herzstück als Gewerbegebiet erschlossen werden könne. Der letzte städtische Hof, schrieb eine kleine Zeitung, und daß uralte Obst- und Fettwiesen einem unkomplizierten Anschluß an Innenstadt und Autobahn geopfert würden, und dann tauchten die Gerüchte auf. Doch der Bausenator ließ keinen Zweifel an seiner Entscheidung; die Neuansiedler seien allesamt eingesessen, und natürlich stünde eine Stadt in der Verpflichtung, sich um ihre Unternehmen zu kümmern. Schließlich flössen Steuergelder, schließlich entstünden Arbeitsplätze, und nie zu vergessen, sagte der Senator, das niedersächsische Umland versuche seit jeher, bremische Pfründe zu schröpfen. Wir Bremer, sagte der Senator, und um letzte Zweifel zu zerstreuen, beschrieb er einerseits die sehr sensible Vorgehensweise bei der Auswahl und andererseits die strengen Auflagen, die die Neuansiedler erfüllen müßten. Ein alter Haudegen, dieser Senator, der alle Kaltschnäuzigkeit mit einer Magie aus Worten verschleierte: Als sollten nicht Produktionshallen auf den Fettwiesen errichtet werden, sondern ein zarter Pavillon; eine Art lichtes Gebilde, das noch mit den Gräsern wogte.
    Bewegliche Teile waren eingerostet, die Reifen platt, und Willem brauchte eine Stunde, um die Fahrbereitschaft wiederherzustellen. Als er danach aufsaß, konnte er die Verwachsenheit spüren wie früher, Sattel, Muskeln und Kette wurden eins, und mit kentaurenhaftem Gefühl stieß er in den Mai.
    Hohe Zäune markierten bereits die Ansprüche, Mit-Sicherheit-Deutschmeister hatte seine Schilder angebracht, und ein Wachmann patrouillierte. Willem wartete seine obligatorische Runde ab, dann stieg er über aufs verbotene Gelände.
    Der Hof hatte die gekreuzten Pferdeköpfe im Giebel, auf dem Reetdach war ein Storchennest. Die Backsteine waren von einmaligem Rot, Fossilien längst vergangener Ressourcen und Kunstfertigkeit; aus dem Fachwerk schien noch immer die Urkraft deutscher Wälder zu drängen, und die Jahresringe mußten mühelos hinter Napoleon oder die Schwedenkriege langen. Die Obstbäume waren alt und standen verstreut; manche Äste waren ausgebrochen, unter anderen verwitterten die Stützträger. Rings aus den Wiesen wogten hohe Gräser, und dazwischen machte Willem Schafgarbe aus, Eberwurz oder Lichtnelke. Er sah eine Heuschrecke springen, und in der Ferne, durch schilfigen Bewuchs, ahnte er einen Teich, und zweimal hörte er es quaken. In den tiefen Strahlen

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