Kronhardt
machte sich Sorgen, und Robert versprach, nach ihm zu schauen.
Wie Robert seinen Bruder fand, wie Eva, von Vorahnung gepackt, dazueilte und wie zuletzt noch der kleine Willem, vom Tumult auf dem Achterschiff angezogen, mit ansehen muÃte, wie ein zufällig an der Hafenrundfahrt teilnehmender Arzt sich vom leblosen Körper des Vaters erhob und stumm den Kopf schüttelte, das alles wollte der Chefredakteur aus gegebenem Respekt am liebsten unerwähnt lassen. Von den Schreien ganz zu schweigen. Allein, dieser Schmerz hatte sich unauslöschlich in die Seelen aller Betroffenen gebrannt, und schlimmer: das Unglück potenzierte sich noch.
So wären sie alle, die Leser und auch der Chefredakteur, der Witwe nicht nur für ihre kompromiÃlose Offenheit zu Dank verpflichtet, sondern angehalten zu tiefstem Respekt gegenüber der aufrechten Haltung einer Frau, die sich nach dem jähen Tod des geliebten Mannes plötzlich im Fadenkreuz polizeilicher Ermittlungen wiedergefunden hätte.
Nachdem Richard ins Krankenhaus und danach routinemäÃig in die Pathologie verbracht worden war, stellte der Chefarzt dort Embolie als Todesursache fest. Ein Jungarzt jedoch, der sich ganz offensichtlich profilieren wollte, stellte die Diagnose in Frage und behauptete, es hätte bei Sektion der Leiche unübersehbare Anomalien gegeben. Trotz der mehrmaligen, anfangs wohl noch milden, später jedoch rigiden Zurechtweisungen seines Vorgesetzten blieb der Jungarzt so beharrlich, daà er über alle Köpfe hinweg die Kripo einschaltete.
Und die Kripo kam bald nicht mehr umhin, dem Jungarzt Glauben zu schenken, und stellte, bei allem Respekt gegenüber dem Verstorbenen und seinen Angehörigen, genau die Nachforschungen an, die Demokratie und Rechtsstaat gesund erhalten. Bald war die Staatsanwaltschaft involviert, und bald kamen auch Zeitungen wie diese, die nach wie vor in Aufklärung und Wahrheit ihr oberstes Gebot sehen, nicht mehr umhin, in ihrer investigativen Objektivität den Fokus auf den Fall Kronhardt zu richten.
Die geschätzten Leser würden sich erinnern. Und ein jeder von ihnen, schrieb der Chefredakteur, egal, ob er es am eigenen Leib erlebt habe oder nicht, könne sich die zupackende Dramatik vorstellen, mit der ein unbescholtener Bürger plötzlich aus der Gemeinschaft gerissen und an den Pranger gestellt worden sei.
Und so stand Eva Kronhardt plötzlich da. Den Doppeltod der Eltern noch nicht verwunden, wurde sie erneut von unsagbarem Schmerz und Verlust heimgesucht; verwitwet, noch bevor die gemeinsame Zukunft beginnen konnte, und als langten all diese Schicksalsschläge noch nicht hin, als sei gerade sie auserwählt, eine biblische Last zu ertragen, schien sich ringsherum die ganze Welt zum Ungeheuerlichsten gegen sie zu verschwören. So stand Eva Kronhardt da; ihr Gatte auf tragische Weise an einer Embolie verstorben und sie durch den Kunstfehler eines übereifrigen Jungarztes zur Gattenmörderin gebrandmarkt.
Gekoppelt nun an diesen Hintergrund, schrieb der Chefredakteur zum Ende hin, sei es ganz entschieden keine Schönrederei oder aufreiÃende Rhetorik, sondern moralische Pflicht einer Zeitung wie dieser, die unglaubliche Stärke dieser Frau immer wieder herauszustellen, weil sie sich gegen den Glauben der Welt integer gehalten und ihre Wahrheit auf eine Art verkündet habe, die sich nur noch mit den Edelsten der Antike vergleichen lieÃe.
Und es läge auch keine Selbsterhöhung darin, wenn er, der Chefredakteur, noch einmal auf die Haltung dieser Zeitung selbst verweise, die in ihrem steten Bemühen um Sachlichkeit und Aufklärung ganz entscheidend dazu beigetragen habe, Licht in den Fall Kronhardt zu bringen und somit den höchsten Maximen menschlicher Gemeinschaft zu dienen; Gerechtigkeit und Wahrheit â nichtwahr, die ja durch alle Zeiten hindurch ihre Märtyrer hätten, sowohl für die Lebenden wie für die Toten.
Und so erscheine es auch nachgerade folgerichtig, daà ein Leser dieser Zeitung schlieÃlich den entscheidenden Hinweis gegeben habe. Ein Arzt, loyal genug, sich weder vorzudrängen noch an der Kompetenz seiner Kollegen zu zweifeln; ein Mann, der es vor allem deshalb vorgezogen habe, anonym zu bleiben, weil aller Fokus auf seine Person von seinem hippokratischen Verständnis abgelenkt hätte. Dieser Arzt habe die Berichterstattung dieser Zeitung aufmerksam verfolgt und schlieÃlich auf eine
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