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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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nichtwahr, der reagiere nicht mit Sturheit. So sei Richard Kronhardt gewesen, und als Eva dann schwanger geworden sei, wäre dies dem Ehepaar wie ein Wink erschienen.
    Sie wurde zu Hause von einem Jungen entbunden, Willem, und rückblickend erschien es Eva, als seien dies Augenblicke gewesen wie vom Anbeginn der Zeit, wenn sie zu dritt beieinanderlagen. Richard an ihrer Seite, der kleine Willem, und eingebettet in diese Augenblicke die wunderbare Gewißheit einer gemeinsamen Zukunft. Niemals, sagte Eva, niemals würde sie diesen Glanz in den Augen ihres Mannes vergessen – eine Reinheit des Herzens, die keine Diktatur der Welt je trüben könne. So glänzten die Augen des Vaters, und sie hörten nicht auf, während ihr Kind heranwuchs.
    Doch dann, von einer Minute auf die nächste, erloschen diese Augen.
    Der Chefredakteur machte an dieser Stelle des Berichts einen großen Absatz. Gewissermaßen eine Reverenz an die Trauer dieser großartigen Frau, und den Lesern mußte die Fortsetzung erscheinen, als säße Eva nunmehr stumm am Tisch; der noch eben angedeutete Glanz jetzt Tränen in ihren Augen, während alles Reißerische sich in andächtig leise Töne zu verwandeln schien.
    Es geschah ausgerechnet bei seinem ersten und emotional so gewaltigen Schritt nicht nur zurück in die Heimat, sondern in die gemeinsame Zukunft.
    Trotz der inneren Belastung erschien auch Richard bei Ankunft in seiner Heimatstadt erfreut. Am Bahnhof wurden sie von Robert empfangen, und man mußte den Lesern nicht groß darlegen, welche Gefühle sich auftaten, wenn zwei vom Krieg auseinandergetriebene Brüder sich wieder in den Armen lagen. Zudem hatte es Robert von Anfang an als Ehrensache betrachtet, alle emotionale Last des Bruders mitzutragen, und so war der Aufenthalt der kleinen Familie als eine Art Urlaub gestaltet. Robert hatte einen Ausflug ins Teufelsmoor organisiert, die Besichtigung der legendären Bierbrauerei, und er hatte die große Hafenrundfahrt auf dem Programm – ein Ereignis, da würden die Leser mit dem Chefredakteur einig sein, das wie kein zweites dazu tauge, das tiefverwurzelte Freiheitsverständnis der Hansestadt zu demonstrieren. Und mehr noch: die gelungene Überwindung der jüngsten Vergangenheit.
    Die Barkasse hieß Alk, und natürlich erinnerten die Eingeweihten, voran der Chefredakteur selbst, die dramatischen Ereignisse, die hier ihren Anbeginn gehabt hatten.
    Es war ein schöner Tag, und schon bei Ablegen zog eine jener klaren Brisen über den Fluß, die allen Sommer in sich bündelte. Eva und Robert nahmen eine Bank auf dem Sonnendeck, sie orderten viermal Limo und ließen sich in eine der Kriegsgeneration so fremde Untätigkeit fallen. Richard und der kleine Willem standen unterdessen an der Reling und schauten, wie die Welt jenseits des Wassers vorüberzog. Als die Limonade gebracht wurde, ließ Eva die Flaschen öffnen in der Erwartung, daß Richard und der Junge gleich kommen würden. Und tatsächlich erhob Richard sich bald aus seiner tief über die Reling gebeugten Haltung, lächelte seinem Sohn zu und ging Richtung Achterschiff. Als er auf ihrer Höhe war, sah er auf, und Eva würde dieses letzte Lächeln und den unglaublichen Glanz in seinen Augen nie mehr vergessen. Mit einem Zeichen gab er zu verstehen, daß er austreten mußte.
    Derweil hielt die Barkasse aufs erste Wendebecken und nahm vor Einfahrt in den Europahafen Fahrt raus, um einen Dampfer passieren zu lassen. Der Kapitän der Alk gab sein Fachwissen über einen Lautsprecher weiter, und von Bord schauten sie gebannt auf die Umrißlinie des Dampfers, die um so mächtiger erschien, je näher sie kamen. Sogar die Sommerbrise wurde von dieser schieren Größe erfaßt, und bald dümpelte die Alk im Dunst jener Welten, die sich flußabwärts aus endloser Weite erhoben.
    Auch der Junge sah von der Reling aus dem Dampfer nach, und die Mutter war beglückt, daß er eine friedliche Welt sehen durfte. Sie lehnte sich zurück, lauschte den Lautsprecheransagen des Kapitäns und nahm einen Schluck Limo.
    Die Becken im Europahafen waren voll; manchmal lagen die Dampfer wie Päckchen vertäut, und auf den Kajen verholten die Schauermänner. Die Alk machte einen Turn, das Schiffseisen vibrierte, und voraus sagte der Kapitän die großen Überseebecken an.
    Richard war noch immer nicht zurückgekehrt.
    Eva

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