Kronhardt
nicht sagen. So saÃen sie in der Orangerie, und die Mutter hielt alle Absicht und allen Eigennutz verborgen. Sie führte die Rede, ordnete die bisherigen Geschehnisse und konnte noch aus den verfahrensten Umständen eine klare Richtung aufscheinen lassen. Sie entwickelte einen milden und förderlichen Blickwinkel und kam dann ohne Umwege auf den Punkt. Sprach sich für Laschek aus, für Seidenberg und Kessler. Und als Barbara den Kopf schüttelte, als sie mit schwerer Stimme Striebeck, Bloch und Garbarde gegen die Alte stellte, ahnte Willem, daà seine Frau womöglich noch verkaterter war als er selber. Alle Pläne, die noch in der Eckkneipe so leicht erschienen waren, mit denen sie sich bis in die Eingeweide der Alten gedacht und sie von dort mühelos ausgehebelt hatten, muÃten an diesem Tag scheitern. Sie muÃten die Kaltblütigkeit seiner Mutter hilflos mit ansehen; ihr Kalkül, mit dem sie noch die blutigsten Schnitte rechtfertigen konnte, und Willem sah ein, daà die Mutter sie auf ihr Schlachtfeld gelockt hatte. Seine Zunge war pelzig, abwärts der ganze Schlund, und er spürte den Brechreiz.
Als Barbara endlich gesprochen hatte, waren ihre Worte aus einer seltsamen Entfernung zu ihm gedrungen. Er erinnerte sich, daà sie versucht hatte, alle Festigkeit und alle Beweisgründe, die sie am Abend in der Eckkneipe aufgestellt hatten, nun ins Feld zu führen. Und so hatte Barbara sich als erstes für Striebeck ausgesprochen. Mit Korpsgeist, hatte sie gesagt, jung und dynamisch. Mehrsprachig und mit sehr beweglichem Verstand; ein kostbarer Rohling, der das Wesen des Geschäfts erfasse und mit jedem Schliff besser werden würde. Eine Frau, der man Verantwortung übertragen könne und die man auf lange Sicht einbinden müsse.
Die Mutter hatte dazu gelächelt. Und Barbara recht gegeben; Striebeck sei ein Typ, den man so bearbeiten könne, daà am Ende die gewünschten Eigenschaften herauskämen. Ganz der Typ der kommenden Generation, hatte die Mutter gesagt, intelligent, erfolgsorientiert und ohne 68 er-Lasten. Mit hinreichend Charme und BiÃ, sich auch in der Männerwelt durchzusetzen. Dennoch gebe es ein Problem mit dieser Frau: Sie würde Kinder wollen. Selbst wenn sie jetzt noch vom Gegenteil überzeugt sei, würde sie irgendwann wollen. Sie könne gar nichts dagegen tun, und die Mutter hatte sich geweigert, in ein junges Ding zu investieren, das nicht loyal bleiben würde. Wenn man ihr ein Attest vorlegte, das bestätigte, daà diese Striebeck keine Eierstöcke mehr hätte oder ganz profan unfruchtbar wäre, könnten sie sie haben. Und das gleiche gelte natürlich für diese Garbarde.
Willem hatte den Pelz von der Zunge bis in die Eingeweide gespürt, und die Mutter hatte gelächelt und Seidenberg gesagt. Eine Frau mit Kompetenz und passenden Eigenschaften, nicht unterwürfig, aber biegsam, und entscheidender, hatte die Alte gesagt: die nach einer dramatischen Fehlgeburt alle Hoffnung auf Mutterschaft verloren hatte. Und auch Kessler, die älteste unter allen Bewerbern, erfülle dieses Kriterium; nachdem sie bereits zwei nicht lebenstaugliche Frühchen auf die Welt gebracht hatte, bestehe auch bei ihr eine gewissermaÃen ärztlich beglaubigte Hoffnungslosigkeit. Ãber Laschek schlieÃlich, hatte die Mutter dann gesagt, den einzigen Mann in der Runde, bräuchte gar nicht erst diskutiert zu werden. Neben seinem ausgeprägten Anpassungssinn überzeuge vor allem sein erstaunliches Wissen auf den Gebieten der Informationstechnologie, und auch Barbara, hatte die Mutter gesagt, die ja nun voll und ganz auf dieses neue Feld aus Mikrochips und Digitalrechnern baue, komme um Laschek nicht herum. Laschek sei gesetzt.
So hatte die Mutter dagesessen, und Kronhardt, frisch rasiert und mit aufdringlichem After-shave, hatte ihr zugehört, als verkünde sie die Ordnung der Welt. Erst als die Alte sich dann an Barbaras letzte Kandidatin machte, an Katja Bloch, hatte Kronhardt seine lächelnde Starre abgelegt; seine Kaumuskeln waren hervorgesprungen, und es war offensichtlich, daà er eine Wut gegen Katja Bloch zügelte. Doch seine Frau hatte milde gesprochen; hatte sich einfühlsam gegeben und ihre Ansichten auf eine Art geordnet und gestrafft, daà nur noch eine einzig gültige Erkenntnis übrigbleiben konnte. Bei aller Sympathie und trotz der zugestandenen Fähigkeiten der Kandidatin
Weitere Kostenlose Bücher