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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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nichts dagegen hatte, war Willem überstimmt, und später sagte er Barbara voraus, daß die Verhandlungen so nicht einfacher würden; mit ihrem häuslichen Gestank und ihren Eigenschaften, meinte er, würden die Alten sie glattweg erschlagen.
    Sonnabend vormittag betraten sie das alte Büro im Hartmann-Haus. Nichts hatte sich verändert; der vordere Teil lag im Schatten der wuchtigen Registraturen, und die eine Hälfte erschien wie gespiegelt von der anderen. Die beiden Schreibtische standen in gleicher Ausrichtung zur Tür, und in den Dekaden hatte sich die ganze Wucht des Büros nur noch verdichtet.
    Die Gespräche sollten im hinteren Teil stattfinden, in Kronhardts sogenanntem Arbeitszimmer. Als die Geschäfte noch im eigenen Haus gelaufen waren, hatte er die Schiebetüren meist geschlossen gehalten und so die Exklusivität seiner Schmetterlinge und Schaukämpfe gepflegt, die er nicht jedem zeigte.
    Die Alten saßen bereits um den Eichentisch. Barbara setzte sich dazu. Willem sah, daß Kronhardt aufgerüstet hatte, und er legte nur seine Jacke auf den Stuhl und betrachtete die neuen Stücke. Eine Art Kabinettschrank mit tiefen Schubladen und einer polierten Platte, auf der ein futuristisches Terrarium stand. Es war ein Glasoval, mehr noch eine Arena, mit kleinen Lichtmasten, Suchscheinwerfern und schwenkbaren Lupen, und anhand der Spuren ahnte er, daß der Alte noch immer auf Treiberameisen setzte. Bevor Willem etwas anfassen konnte, stand Kronhardt schon bei ihm. Sie sahen einander an. Keiner sagte etwas. Dann zog Willem eine Schublade aus dem Kabinett, die gut geölt aus ihrer Tiefe rollte. Kronhardt mahlte mit den Zähnen, und seine Kaumuskeln sprangen hervor. Doch er ließ es geschehen, und Willem holte einen langgeschwänzten Segelfalter hervor und eine Nymphalide. Er betrachtete die toten Tiere und steckte die Rahmen zurück in ihre samtigen Futterale. Und Kronhardt stand da und mahlte. Erst als sie alle um den Eichentisch saßen, schien der Alte wieder zu entspannen.
    Sein Halstuch leuchtete, er hatte einen Teleskopstock parat, und an der Wand hatte er eine Tafel installiert, auf der die Photos der Bewerber vergrößert waren. Er machte einen Scherz darüber, wie noch das strahlendste Lächeln in der Miniküche zerbrochen war, und dann zeigte er unvermittelt auf drei Bewerber. Marcel Laschek, sagte er, Simone Seidenberg und Gerda Kessler. Das seien die Richtigen für Kronhardt&Focke. So saß er mit dem tanzenden Stock und konnte erscheinen, als liefen alle Fäden bei ihm zusammen.
    Willem lächelte, und weil Barbara seine Hand drückte, hob er nur die Schultern. Fragte nach, was der Klaumauk zu bedeuten habe, und sagte, daß natürlich so weitergemacht werde wie bei der ersten Auswahlrunde. Offen, meinte er, mit Dreiviertelmehrheit und ohne Zeitverschwendung. Ein Bewerber nach dem anderen. Zackzack, und dann schnappte er nach dem Stock und schob ihn zusammen.
    Der Alte sicherte sich erst gar nicht bei seiner Frau ab. Er erhob sich über den Eichentisch und nannte Willem einen Spötter und Anarchisten; einen Nihilisten und Muttermörder, und mit einem Finger, der gegen Willem hackte, schien er seine Position noch zu bestärken. Er unterstellte Willem eine unmenschliche Freude daran, das Lebenswerk der eigenen Mutter aus allen Positionen zu torpedieren, und er nannte es entartet, wie Willem noch versuchte, seinesgleichen in diesem Lebenswerk einzunisten; das schändliche Vatererbe, rief Kronhardt, sein Finger hackte, und er verweigerte Willem die Mitsprache im Familienrat.
    Draußen konnten sie den Himmel spüren. Barbara hakte sich bei ihm ein, und sie spazierten; die Bäume in frischem Grün, über den Rabatten Paarungsspiele der Vögel, und wenn eine Brise auffuhr, schien die Leichtigkeit bis hinter die Gardinen der Bürgerhäuser zu greifen.
    Barbara gab zu, die Situation falsch eingeschätzt zu haben; der Ort, meinte sie, habe tatsächlich etwas Destruktives hervorgebracht.
    Willem hob die Schultern und meinte, daß die Alten ihre Eigenschaften im Grunde überall austrieben und auf diese Art ständig Einfluß nähmen und alle Sachlichkeit zerstörten. Wenn etwas nicht so laufe, wie sie es wollten, könne es nicht richtig sein, und mit ihrem Eigennutz verdrehten sie alles; machten noch aus Boshaftigkeit Recht.
    Wollen wir uns betrinken, sagte Barbara.
    Der Wirt saß hinter einer

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