Kronhardt
Körper. Die Mexikaner kümmern sich nicht um den Staub, und solange die Maschinen laufen, kümmern sie sich um überhaupt nichts. Keine Voraussicht, keine Kontrolle, und wenn irgendwas ausfällt, wird nicht die Ursache behoben, sondern das Problem überbrückt.
Hundert Achtkopf, an denen hundert Mädchen stehen, und jede Maschine wird in drei Schichten gefahren. Dazu ein paar Laufburschen und die obligatorischen Wichtigtuer, die in Wirklichkeit verkappte Nichtsnutze sind. In jeder Schicht gibts einen Oberaufseher, und einmal im Monat fliegt der Besitzer ein.
Die Mädchen sind wie alle Mädchen in Mexiko: Sie tuscheln noch gegen das Rattern, sie kichern und entwickeln vor allem einen Instinkt dafür, daà die Armut ihnen nicht viel Zeit läÃt. Sie bringen ständig die Merkmale ihrer frischen Körper hervor; Brüste und was sonst noch sind angeschwollen, aus ihren Drüsen feuern die Sekrete, und überall in der Halle treffen die Reize ihr Ziel. Es rattert, es dampft, und die Männer laufen den ganzen Tag wie mit Sporen in den Eiern herum, und nur die Oberaufseher sind harte Hunde. In den Staaten getrimmte Mexis, die noch bissiger rangehen als ihre Ziehväter. Und so wird ewig junge Masse im ewigen Feuer der Sehnsucht verheizt, und die Oberaufseher sind auch noch stolz darauf. Nennen es Vaterland, und jedesmal, wenn ich dort auftauche, veranstalten sie einen Drill und sind gierig nach Anerkennung. Als hätte meine Rasse ihnen allen Selbstwert genommen.
Striebeck nimmt einen Schluck Brandy, leckt die Lippen. Ich habe die Preise nochmals runter gekriegt.
Hut ab.
Sparen Sie sich das.
Wie gesagt, wir müssen nicht in Mexiko produzieren lassen.
Wie gesagt, Mexiko ist überall. Ich habs in Rumänien gesehen, in China oder Tschechien. Von den USA ganz zu schweigen. Sie können heutzutage keine politisch korrekte Firma mehr führen. Handlungen wirken von einem Ende der Welt bis ins andere, Alltäglichkeiten wie Orangen oder Heizung verwandeln sich in Verbrechen, und was Sie auch kaufen, überall klebt Blut.
Willem rollt den Calvados, läÃt ihn langsam hinab. Er spürt das Feuer und sagt: Was kann man da tun, Ulrike?
Sie sieht ihn an. Ich sammle Flugmeilen, jette am Wochenende zum Tanzen und leiste mir meinen Zweisitzer. Mein Leben macht mir SpaÃ.
Tage darauf hat er Fisch beim Italiener; danach steigt er in ein Taxi. Dirigiert stadtauswärts, am Hafen entlang, an der Stahlhütte vorbei und dann über die Lesum auf den Geestrücken zu. An der Landesgrenze steigt er aus. Ãber ihm löst sich der Hochnebel; die Sonne dringt durch, doch es bleibt kühl. Er bindet den Schal, knöpft die Jacke und biegt bei erster Gelegenheit ab. Der Laubwald ist gemischt, mit stattlichen Bäumen; er hört einen Buchfinken, einen Specht, und in einem Sonnenfleck dringen Buschwindröschen durch das braune Laub. Bald stöÃt er auf eine Aue, geht ab vom Weg und folgt ihrem schlängelnden Lauf. Er sieht einen Frosch, braungescheckt und klein, dann bricht das Gelände ab, und die Ufer breiten sich in eine Senke. Eichen stehen dort, dickstämmig und gedrungen, und manchmal langen freigespülte Wurzeln aus dem flachen Wasser. Er quert die Senke langsam; nutzt die Brücken gestürzter Bäume, springt. Bald windet sich die Aue in ansteigendes Gelände, bald schneidet sie steile Ufer in den lehmigen Grund. In der Höhe säumen Buchen, und auf halbem Weg durch das kleine Urstromtal kennt Willem eine Eisvogelhöhle. Als er sie inspiziert, findet er keine Spuren.
Später sitzt er vorm Kamin, als das Telefon klingelt.
In Deutschland ist kein Gustav von Wrangel gemeldet, und der Name scheint äuÃerst selten zu sein. Bis vor einigen Jahren gab es noch eine Handvoll in Mecklenburg. Sie scheinen aber alle weggestorben zu sein. Können Sie mit Mecklenburg was anfangen?
Mein Onkel Karl soll mal dagewesen sein. Stationiert, oder was weià ich.
Wir haben rausgefunden, daà auch die Führerschule der deutschen Ãrzteschaft in Mecklenburg angesiedelt war.
Aha.
Haben wir auch gesagt. Ein Doktor-Doktor klingt nicht eben nach Dorfschule.
Willem überlegt. Dann sagt er: Meine Eltern haben 43 geheiratet und emigrierten bald darauf. Es waren nicht die Zeiten für beschwingte Feiern, und soweit ich weiÃ, organisierte Karl die nötigen Formalitäten zur Hochzeit. Also gut möglich, daà er auch den Trauzeugen
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