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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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weit, daß ich niemals weiß, was ich erwarten kann und was nicht.
    Geht mir genauso, Ulrike. Wir alle halten ein weites, unbekanntes Feld verborgen.
    Sie sieht ihn an.
    Aber in der Regel erfüllen wir das, was die anderen von uns erwarten oder nicht, und alle sind beruhigt. Auch ich mache das so. Erfülle die Prognosen, um meine Ruhe zu haben. Zeit fürs Sofa und abstruse Themen. Und nach einer Pause: Und Sie?
    Was ich?
    Manchmal frage ich mich schon, wie Ihre unbekannten Felder aussehen.
    Sie schlägt ein Bein über und lächelt. Meine privaten Felder gehen Sie gar nichts an.
    Gibts denn welche?
    Er sieht den Körper unter den sportlichen Kleidern, dann die Falten auf der Stirn. Dann sagt er: Der Beruf ist Ihnen wichtig. Oder?
    Was für eine Frage.
    Und Sie machen ihn verdammt gern.
    Ja.
    Und Sie machen ihn verdammt gut.
    Wenn Sie das sagen.
    Und Sie lernen viel auf Ihren Reisen.
    Striebeck überlegt einen Augenblick. Vielleicht. Auch wenns mittlerweile überall gleich läuft.
    Kommen Sie, Ulrike. Sie holen eine Menge raus fürs Geschäft. Egal ob in Polen, China oder Mexiko. Und das geht nicht mal eben so. Sie verstehen Ihr Handwerk, und Sie lernen ständig hinzu.
    Wahrscheinlich haben Sie recht.
    Na klar. Wer aufhört zu lernen, läutet den Stillstand ein.
    Sie drückt ihren Rücken gerade, und einmal blitzen die Zähne.
    Halten Sie das privat auch so?
    Sie sieht Willem an und verwandelt ihren Ausdruck. Sind Sie persönlich an mir interessiert? Was soll das?
    Sie legen sich hier schwer ins Zeug, Ulrike. Und ich frage mich einfach, ob Sie noch Zeit für sich selber haben.
    Muß Sie das interessieren?
    Wenn Menschen die Beziehung zu sich selber verlieren, leidet auch ihre Arbeitsleistung. Er sieht sie aus dem Sofa an und grinst.
    Sie grinst zurück, die Augen schmal. Sie unterstellen mir privaten Kollaps?
    Quatsch. Ich wünsche mir ausgeglichene Menschen mit genügend Privatraum. Verstehen Sie, der Lebensmittelpunkt sollte nicht die Arbeit sein.
    Ich will Ihnen Ihre Sicht nicht nehmen.
    Schon recht, Ulrike. Im Gegensatz zu mir wissen Sie, was Sie wollen. Und wie Sie es erreichen können.
    Ist das so?
    Na klar. Wäre ich gestrickt wie Sie, wäre ich jetzt irgendwo auf Feldforschung. Ich habs nicht hingekriegt.
    Sie zeigt ein schönes Gesicht. Sie haben doch hier Ihre Feldforschung.
    Sagt Barbara auch immer. Und dann: Ich habe die Sterilität geerbt, und Barbara wollte eh nie Kinder. Mich würde als Feldforscher interessieren, Ulrike, wie Sie mit dem biologischen Druck umgehen. Oder umgegangen sind.
    Mit dem Kopf. Und sie macht eine anmutige Bewegung.
    Willem breitet die Arme aus. Der gute alte Kopf. Und nach einer Pause: Heute meine ich, daß es mit dem Herzen besser geht.
    Vielleicht. Aber wir leben hier nicht im Paradies.
    Wegen dem Kopf.
    Sie sieht ihn an, sagt nichts.
    Wissen Sie was, Ulrike. Als Kind war ich überzeugt, meine Mutter hätte irgendwelche geisterhaften Fähigkeiten. Es war egal, wie sorgsam und heimlich ich vorging, meine Mutter kam stets dahinter. Heute weiß ich, daß sie ein Netz von Zuträgern unterhielt und ihre geisterhafte Macht nur auf Informationen gebaut war. Ich weiß aber auch, daß sie aus einem System heraus agierte, das allein auf der Durchsetzung von Macht basiert. Ein männergemachtes System aus Rangordnung, Besessenheit und Mißbrauch, und ich halte meiner Mutter und vielen Frauen vor, die in klassisch männliche Positionen vorrücken, daß sie das System nicht in Frage stellen, sondern es kopieren. Daß sie ihr weibliches Prinzip aufgeben, um nach männlicher Art das Gesetz ihres Willens durchzusetzen. Oder anders gesagt: ihr Herz aufgeben zugunsten eines besessenen Geistes.
    Striebeck sieht ihn an. Dann lächelt sie. Sie trauen den Frauen im Grunde mehr zu?
    Was weiß ich, wie unsere Welt unter dem bestimmenden Einfluß der Frauen aussähe. Immerhin traue ich ihnen eine Welt zu, die weniger von Gewalt und Zerstörung geprägt wäre. Da heutzutage aber alles männlich durchdrungen ist, kann ich den Frauen kaum noch einen Vorwurf machen.
    Sie meinen, die Frauen seien vermännlicht?
    Ich meine, daß alles vermännlicht ist. Atome, Moleküle, künstliche Schöpfungen. Gerodete Wälder, verseuchte Meere, zerstörte Atmosphäre. Bewußtsein, Wahrnehmung, Wirklichkeit.
    Sie sieht ihn an, sagt nichts.
    Und darum reite ich auch so auf Ihrem Privatleben

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