Kronhardt
Erhabenheit und Ruhe aus.
Auch die Büroserie mit ihrem dunklen Holz, dem matten Chrom und gefrosteten Glas hat nichts von ihrer soliden Zeitlosigkeit eingebüÃt. Fortschritt und technische Neuerungen lassen sich problemlos integrieren, und die Möbel funktionieren sowohl für sich als auch in Kombination. Und gerade diese Fähigkeit scheint heute ein entscheidendes Merkmal, denn neben Barbara ist es vor allem Ulrike Striebeck, die ohne weiteres darangeht, die Möbel neu zu kombinieren â unerwartete Plätze und Aussichten schafft, von denen sich dann hartnäckige Probleme in Luft auflösen können.
Nur die Wandbilder, die Barbara damals angeschafft hat, sind gewissermaÃen Opfer geworden. Jedoch nicht, weil die groÃflächigen Leinwände mit den kräftigen Pinselstrichen und den Spritzern ihre Wirkung verfehlt hätten â im Gegenteil: Auch von dieser schweineteuren Minimalkunst ging von Anfang an treibende Kraft aus, und Ulrike Striebeck mit ihrem Hang, ringsherum stets neu zu kombinieren, stellte irgendwann den Kontakt zu einer Galeristin her, und seitdem gibt es im Speicher die Bilderrotation. Manchmal erscheint der Wechsel wie ein fester Zyklus, und Willem glaubt sich sicher, daà die Pinselstriche zum Frühjahr wieder auftauchen, Hiroschige zum Sommer und die warmen Rothkos zum Herbst. Doch auch hier ist Dynamik entstanden, und aus einem Impuls heraus oder einem Verlangen treffen die Frauen eine ganz andere Entscheidung.
So also wechselwirkt es im Speicherhaus, und auch Willem â ob er will oder nicht â ist in diesen Prozeà mit eingebunden. Im Grunde positive Schwingungen, doch manchmal überkommt ihn die Lust zu stänkern, und dann behauptet er, daà die Maschinen genauso rattern würden, wenn Barbaras Prinzip von Anfang an auf solider Statik gefuÃt hätte. Er stichelt dann ein biÃchen und lockt seine Frau, weil er weiÃ, daà sie ihn nicht widerlegen kann. Er reitet auf dem Aufwand von Rotation und dogmatischem Gehabe herum, spricht von Zeitverschwendung und Kraft, die in künstlichen Welten vergeudet wird, und kommt dann irgendwann zur Kultivierung von Energie, so daà Barbara sich ausrechnen kann, wozu sich diese Kraft verwenden lieÃe. Und Barbara läÃt Willem meist gewähren â ja, ermuntert ihn noch zum Stänkern. Soll er doch alles rauslassen, meint sie, und wenn er dann in seine kleine Statik aus Sofa und Milchglaskugeln zurückkehrt, kann er seine Energien wieder auf das bündeln, was wichtig ist.
Ulrike Striebeck und Katja Bloch stehen in der Miniküche. Die Strahler im Zenit, das Radio läuft. Die Frauen gehen vertraut miteinander um, banale Themen wechseln mit persönlichen, und auch wenn es um Kronhardt&Focke geht, senken sie nicht ihre Stimmen.
Striebecks eher telegene Erscheinung scheint sich im hellen Kunstlicht noch zu steigern; sie ist jünger, gröÃer und schlanker als Bloch, und auch ihre Proportionen sind auf Anhieb zugänglich. Dabei ist Katja Bloch eine schöne Frau, wenn auch auf zurückhaltende Art. Sie trägt das haselnuÃfarbene Haar halblang und auf altmodische Weise gewellt; ihr Gesicht hat slawische Züge, und der weiche Ausdruck dort flieÃt über in ihre Gestalt, scheint ihr ganzes Wesen zu erfassen.
Doch im direkten Vergleich scheint den meisten Frauen, die neben Striebeck stehen, etwas zu fehlen. Als wäre Striebeck die Fleischwerdung einer progressiven, emanzipierten Propaganda, und so stehen sie in der Miniküche. Striebeck in eleganter Leinenhose und einer fast hippen Bluse, Katja Bloch in ihrem seltsam anachronistischen Ostblockcharme. Sie schwatzen, und zwischendurch beschickt Bloch die italienische Maschine; bringt die Tassen in Position, hantiert mit Wasserdampf, und zuletzt steigt das Pfeifen und Gurgeln auf.
Die Maschine ist verstummt, die Frauen sitzen auf hohen Hockern. Striebeck trinkt etwas Aufgeschäumtes, Bloch einen Espresso. Sie plaudern, lachen, aus dem Radio Populärmusik der internationalen Hitlisten. Als ein schrilles Piepen ertönt, wissen sie, daà dieser Ton im Büro nebenan ein zügiges Verhalten auslösen wird. Und tatsächlich nähern sich kurz darauf die Schritte von Marcel Laschek. Das tänzelnde Geräusch seiner kleinen FüÃe, die spitzen Schuhe wie mit Stepeisen beschlagen, und während er eintritt, liegt ein selbstgefälliger Ausdruck um seinen Mund. Der dicke Mann
Weitere Kostenlose Bücher