Kronhardt
rum, Ulrike. Jedesmal, wenn Sie für uns unterwegs sind, ist es ein Vorstoà ins Innere. Regimenter von Männern, mit denen Sie Geschäfte aushandeln müssen, und es wäre sehr schön, wenn Sie dabei nicht den gleichen Fehler machten wie meine Mutter. Bewahren Sie sich Ihr weibliches Prinzip, Ulrike. Wenigstens im Privaten, und lassen Sie sich nicht von den dämonischen Möglichkeiten des Kopfes verführen.
Sie sieht ihn an. Sagt nichts, lächelt.
Willem sagt: Und sonst?
Er ahnt, daà sie auf diese Frage gewartet hat, und er weiÃ, wie gerne sie ihre Geschichten erzählt. So steht er auf, schaltet die indirekte Beleuchtung ein, die den Jawlensky trifft, und bald wirft auch der Kaktus einen Schatten. Er legt Musik auf, dann sagt er: Brandy? Calvados? Whisky?
Sie heben die Gläser, und Striebeck macht es sich im Sessel bequem.
Es fing in Frankfurt an. Ein paar alte Startbahn-West-Gegner hatten sich vorm Eingang versammelt. Sie verteilten Flugblätter zu neuen Ausbauplänen, einige hielten Banner in die Luft, alles ganz friedlich. Doch rings hatte niemand Zeit oder Interesse, und im Grunde störten diese Alten nur.
Willem lacht. Ich bin einer von diesen Alten.
Sie waren dabei?
Na ja. An der Hochschule habe ich immerhin gegen die Startbahn unterschrieben.
Auch Striebeck lacht. Aber Sie waren nicht der klassische Protestler, was.
Nein. Aber es waren insofern spezielle Zeiten, weil es viele waren, die das Eingefleischte nicht mehr wollten. Sie waren jung und haben gerüttelt; für die Sache gekämpft. Doch der Umsturz konnte nicht gelingen; niemand ging soweit, sich selbst in Frage zu stellen, und die ganze Sache zerlief mehr in extrovertierter Eigenliebe, als daà ein wirkfähiger Zusammenschluà die eingefleischten Fundamente ernsthaft unterspülen konnte. Am Ende standen sie da wie jedermann: hatten mit den Jahren ihre Erfahrungen gesammelt, muÃten im Leben zurechtkommen und weichten schlieÃlich in diesem Leben ein. Aber ein paar Spuren haben sie schon hinterlassen.
Striebeck sagt: Ich habe auch unterschrieben.
Unterschrieben?
Am Flughafen.
Bei den alten Genossen? Recht so, Ulrike.
Auf der Gegenseite.
Wie?
Für Konkurrenzfähigkeit und Arbeitsplätze, und sie lächelt und hebt das Glas in seine Richtung.
Dann sagt sie: Jedenfalls sorgten Ihre Genossen für Unruhe. Grenzschützer patrouillierten, Sicherheitsdienste, und später dann die Amis. Sie haben ihren Extrakt im Kopf, und mittlerweile verdächtigen sie automatisch jeden, der in ihr Land will. Sie sind von Gott berechtigt, jedem bis in den Hintern zu glotzen. Immerhin war die Landung ziemlich perfekt, doch danach gab der Käptn Order sitzen zu bleiben, und dann kam das FBI an Bord. Sie verhafteten meinen Sitznachbarn, einen sympathischen Typen in Ihrem Alter, der für Attac arbeitet und Vorträge hält über den Sinn der Besteuerung internationaler Finanzgeschäfte.
Bei der PaÃkontrolle saà mir eine Schwarze gegenüber. Sie bemühte sich, freundlich zu erscheinen, und ihre Fragen nach Dauer und Zweck meiner Einreise klangen harmlos. Ich sagte, daà ich von El Paso direkt rüber nach Mexiko ginge, doch hinter ihrer Freundlichkeit sah sie mich an, als spräche ich flieÃend Arabisch und sei im Kampfeinsatz unterwegs gegen alles, woran sie selber glaubte. Ich mag die Amerikaner nicht besonders, aber ich zeigs ihnen nicht. Erst wenn ich über die Grenze bin, kann ich lästern, und die Mexikaner sind unkompliziert; sie lachen gern und sind immer bereit zu einem Schwätzchen. Sie besorgten mir ein Taxi, und im Hotel habe ich mich betrunken.
Wenn die Sonne über der Wüste steht, kann man leicht alles Heimatgefühl verlieren. Entfernung scheint aufgehoben, das Licht schlägt hart auf nacktes Land, und wenn es zurückprallt, zerstäuben Zeit und irdische Geborgenheit im endlosen Raum. Ãber der glastigen Luft spannt kaltes Himmelsblau, und am Horizont schmelzen die Gebirge. Zumal wenn man verkatert ist. Ich nahm ein Steak zum Frühstück und jede Menge frischgepreÃten Saft. Ich fühlte mich ausgeworfen in eine ferne Welt, die Sonne war ein brutaler Stern, und als ich das Hotel verlieÃ, brachen mir Orangen und Blut aus den Poren. Gleich um die nächste Ecke geriet ich in einen Auflauf. Menschen mit Holzknarren und Tröten und bald ein richtiges Volksfest mit ambulanten Tacobuden, Schnickschnack, Musik â wie die
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