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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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bestellte.
    Von Wrangel.
    Ja.
    Organisierte Ihr Onkel Karl auch die Flucht Ihrer Eltern?
    Das weiß ich nicht. Aber wenn Karl den Trauzeugen bestellte, drängt sich die Wahrscheinlichkeit auf, daß dieser Trauzeuge von Wrangel identisch ist mit dem Doktor-Doktor vom Totenschein.
    Sie kombinieren ja schnell.
    Willem macht eine Bewegung. Halten Sie es denn für wahrscheinlicher, daß zwei Personen mit demselben seltenen Namen in unsere Familienangelegenheiten verwickelt sein sollen?
    Vielleicht gab es die Brüder von Wrangel. Oder die Vettern. Oder einer war angeheiratet. Vielleicht wurde der Name von Wrangel auf Burkes Totenschein auch extra so ausgestrichen, daß er auf jeden Fall wieder lesbar gemacht werden konnte, und wir haben es hier mit einer absichtlich falschen Spur zu tun.
    Quatsch. Die wahrscheinlichen Hypothesen kommen der Wahrheit in der Regel näher als die unwahrscheinlichen. Das sind Ihre Worte.
    Die Ramows lachen. Wie sich die Sache im Moment darstellt, könnten der Doktor-Doktor und der Trauzeuge tatsächlich ein und dieselbe Person sein. Wir bleiben da dran. Und dann: Ihr Onkel Karl. Das war der Bruder Ihrer Mutter, sagen Sie.
    Karl Hartmann. Ja.
    Was ist aus ihm geworden?
    Er ist tot.
    Gefallen?
    Nicht soweit ich weiß. Er war überzeugter Nazi und soll bis zuletzt gekämpft haben. Später in russischer Gefangenschaft gestorben. Bei Waldarbeiten, hieß es. Wenn Kronhardt früher von ihm gesprochen hat, lag tiefer Respekt in seinen Worten, und er hat nie an die offizielle Todesursache geglaubt.
    Wenn wir an dieser Stelle einmal zusammenfassen, sagen die Detektive, dann könnte folgendes Bild entstehen: Ihr Onkel Karl lernte Gustav von Wrangel in Mecklenburg oder sonstwo kennen. Er bestellte ihn zum Trauzeugen Ihrer Eltern. Ihre Mutter kannte also von Wrangel, und höchstwahrscheinlich kennt ihn auch ihr zweiter Mann, Robert Kronhardt. Sie selber behaupten, daß der Trauzeuge-von-Wrangel identisch sein muß mit dem Totenschein-von-Wrangel. Zudem haben wir zwei bislang noch anonyme Ärzte: den Mann von der Alk und den Mann mit dem Hinweis auf die englische Fachzeitschrift, doch wir können jetzt noch nicht sagen, ob hinter diesen schemenhaften Männern womöglich von Wrangel hervortritt. Was halten Sie von diesem Bild?
    Willem hebt die Arme. Es ist vorläufig.
    Natürlich ist es vorläufig. Und schließt eine Verwicklung Ihrer Mutter und Kronhardts nicht mehr kategorisch aus.
    Verwicklung?
    Kommen Sie. Wir stoßen in diesem Fall auf alles mögliche. Aber auf nichts, was für einen natürlichen Tod Ihres Vaters spricht.

6
    Manchmal machen ihm die Veränderungen ringsherum Angst. Die unfaßbaren Welten seiner Jugend scheinen zur Insel geschrumpft und alles Staunen und alle Demut vom Kollaps erfaßt. Länder wie Mexiko sind nur noch einen Klick entfernt, die jährliche Umlaufbahn ein Sonntagsspaziergang. Sogar die Jahrhunderte, die der Speicher bereits besteht, scheinen seltsam eingepaßt in diese rapide Entwicklung, und seit dem Umbau damals und der großen Einweihung mit Zeitung und Bürgermeister ist jetzt bereits der zweite – nein: der dritte Nachfolger im Amt.
    Immerhin waren die Arbeiten damals solide und nachhaltig, und der Speicher wirkt noch gerüstet für eine Zukunft, die nichts mehr mit Zivilisation und Kollaps zu tun hat. Die Ziegel scheinen für die Ewigkeit gebrannt, das Holz ist unter Öl und Wachs ein bißchen nachgedunkelt, und die Alumanschetten der Y-Träger laufen von Zeit zu Zeit an. Willem gefällt diese Art von Verläßlichkeit, und er weiß Barbaras Voraussicht von damals zu schätzen. Und aus anderem Blickwinkel muß er auch anerkennen, daß sie ihre Vision von damals umgesetzt hat und daß innere Struktur und Ausstattung des Speichers tatsächlich auf die Mitarbeiter übergesprungen sind; eine erstaunliche Wechselwirkung, die lebendige Kraft austreibt und Dynamik zum greifbaren Element werden läßt, das mühelos durch die offenen Stockwerke strömt.
    Um dieses Prinzip zu installieren, hat Barbara von Anfang an das Detail zur Grundlage genommen. Kaffeemaschine, Saftpresse, Gläser; aber auch die interne Begrünung hat sie nie dem Zufall überlassen, und die Bonsais scheinen ihren mikrometrischen Zyklus perfekt auf die Schwingungen im Speicher abgestimmt zu haben. Sie wirken gesund und robust und strahlen noch in ihrer verzerrten Größe

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