Kronhardt
für die Engelsche, und noch der Serbe mag jemanden geliebt haben. Die Liebe und das Leben anderer scheinen diesen Menschen egal.
Und jetzt?
Vielleicht haben sie gekriegt, was sie wollten. Und jetzt ist Ruhe, und der Fall Ihres Vaters wird unaufgelöst bleiben. Vielleicht können wir den Fall aber auch ohne Konetzke klären.
Das scheint mir gefährlich.
Bah. Um uns machen Sie sich mal keine Sorgen. Dann bedient einer von ihnen Maus und Tastatur, und bald dreht er den Bildschirm, und Willem sieht die Frau mit der Baskenmütze und den Mann im Rollstuhl.
Es dauert, bis er sich entscheidet. Ich habe die beiden noch nie gesehen.
Sicher?
Ja. Die groÃen Frauen, die mir in letzter Zeit über den Weg liefen, hatten andere Merkmale.
Wieder klickert die Tastatur, dann die Maus. Und jetzt?
Ein neues Bild öffnet sich. Die Frau und der Mann jetzt ganz anders zurechtgemacht, und beide erscheinen arisch und groÃ. Sie stehen vor festlichem Hintergrund; gestutzte Bäume sind zu sehen, der Flügel eines herrschaftlichen Hauses und die Gäste in bester Garderobe. Ein weiteres Bild zeigt die beiden im Profil; Körperhaltung und Ausdruck scharf, ihr Lächeln, als wäre jede andere Umgebung ihnen fremd. Diesmal entscheidet er sich schnell. Auch nicht, sagt er. Als sich das nächste Bild aufbaut, bleiben Hintergrund und Anlaà gleich. Dann sieht er einen groÃen Kreis von Menschen, die um einen Pavillon stehen. Von oben kommt anscheinend Musik, und als einer der Ramows die Gesichter aus der Menge heranzoomt, sagt Willem plötzlich: Da! Hinter der Frau! Das ist Steiner!
Wer ist Steiner?
Ein alter Geschäftsfreund von Kronhardt.
Auch Ihrer Mutter?
Ja.
Könnte er unser ominöser Doktor-Doktor sein? Von Wrangel?
Willem weià es nicht.
Wir bleiben da dran.
Ja.
13
Sie sitzen in der Nische. Gelegentlich zuckt Flammenlicht aus der Küche, der Widerschein treibt durch den Mauerbogen bis in die Nischen der gekalkten Wände, und die Figurinen bewegen sich im Lichtwechsel. Auch auf den schwarzweiÃen Landschaftsphotos werden Vorgänge sichtbar; Nähe und Ferne können sich verschieben, sich wie ein Bienenschwarm verdichten und wieder auflösen, und sie entdecken immer wieder Neues in diesen Effekten.
Barbara sagt: Wie hast du das hingekriegt, Hector?
Der Mexikaner dreht die Hände nach auÃen.
Willem sagt: Mit dem Kopf.
Und Barbara streichelt Willems Kopf. Wenn die Zustände da drinnen die Welt machen, solltest du eigentlich die groÃe Auswahl haben. Du kannst dir die schönste von allen aussuchen.
Das habe ich längst. Und er küÃt sie zärtlich.
Inéz sitzt da und lächelt. Dann gleitet sie in Hectors Arm, und der ruhige Atem des stämmigen Mannes scheint sie zu tragen.
Sie haben buntes Gemüse auf dem Tisch; gegart, in Ãl gebraten oder eingelegt. Dazu Maisfladen, Salsa und frisch gehackten Cilantro. Sie essen mit den Händen, und Hector sagt: Ãndale. Vor kurzem noch saÃen wir hier und hatten Nordafrika im Kopf. Oder Japan. Und jetzt sind es fast schon Erinnerungen, und wir bekommen anderes hinein; das Alte Europa ist nur noch Ramsch wert, die Supermacht zahlungsunfähig, die ganze Welt steckt in einer Wirtschaftskrise, und damit machen sie uns nun Angst. Doch was bedeuten Ramschwert oder Zahlungsunfähigkeit? Wer steckt hinter solchen Aussagen, und warum kann sich daraus so eine Dynamik entwickeln? Wenn das Volk diese Wirklichkeit aus dem eigenen Kopf streichen würde, hätten die Mächtigen ein Instrument weniger. Ich glaube, sagt Hector und gibt Salsa auf einen Fladen. Ich glaube, Willem hat recht. Wenn die Dinge im Kopf entstehen, kann auch ihr Gegenteil dort entstehen. Wir sind nicht dazu gezwungen, uns von der Angst der anderen einfangen zu lassen. Wir sind ganz allein dafür verantwortlich, was wir in uns wirken lassen und wie wir es wirken lassen. Noch wenn die Geschehnisse so unmittelbar sind wie Nordafrika oder Japan. Wie Köterende oder Teerhof; wir bleiben allein verantwortlich, uns von diesen Zuständen einfangen zu lassen oder nicht.
Der Mond war voll und rot gefärbt auf seinem Bogen, und die Nacht über ist es warm geblieben; durch das offene Fenster haben sie Frösche gehört, und als sie sich einen Kuà aus den Laken geben, meinen sie, kaum geschlafen zu haben. Die Sonne steht bereits auf dem Reet, und sie spüren die aufdampfende Feuchtigkeit in dem strohigen Geruch.
Willem
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