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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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ausströmen. Barbara wirft ihr noch immer eher kurzes Haar zurück, der Schlag ihrer Absätze hallt. Sie sagt: Ich nehme Robert dann nachher mit.
    Ist gut.
    Dann sagt sie: Wie es aussieht, hat Marcel einen neuen Kunden aufgetan. Einer von diesen Rußlandoligarchen, die aus England heraus operieren. Marcel stuft ihn als gut ein, mit Verbindungen bis in die Königssippe. Machst du dir bitte mal ein Bild von diesem Russen? Vielleicht kann Roderick dir auch weiterhelfen.
    Ein Oligarch ist doch per se ein moralisch unkorrekter Mensch. Was soll ich da noch groß investigieren?
    Würdest du es trotzdem tun?
    Und wenn er oligarchisch bleibt?
    Dann wars das mit dem Russen.
    Das sagst du immer.
    Aus ihrem Gang heraus gibt sie ihm einen Kuß. Solange wir Moral zeigen, stehen wir doch gar nicht so schlecht da.
    Das sagst du immer.
    Und du liegst immer auf dem Sofa und beklagst moralischen Verfall.
    Ich liebe dich.
    Ich dich auch.
    Die alten Backsteine absorbieren noch die Sonnenstrahlen, und so steht das Speicherhaus in warmen Tönen gegen den Morgen. Dreistöckig und schlank, Fugen und Ständer harmonisch und der Spitzgiebel eine klare Kontur gegen den Himmel. Die zeitlose Eleganz des Gebäudes vertieft sich in den Auslagen; nur wenige ausgewählte Stoffe und Wäschestücke sind zu sehen, und über dem Eingang, in dunklem Rot, das auf die Steine abgestimmt ist, steht der klein gehaltene, angenehm zu schauende Namenszug.
    In der Tür hängt noch das alte Wendeschild, und auch die alte Glocke ertönt. Eichenbohlen und Y-Träger erschaffen auf Anhieb eine Wärme, die sich mit Rodericks Möbeln und dem Blick auf die Kolonnaden, wo in den Fächern Feinwäsche und Tuchwaren sortiert liegen, zu einer Intimität verdichtet. Und sobald die Tür mit einem zweiten Ton der Glocke geschlossen wird, strömen die Gerüche und spannen noch immer einen Bogen hinein in unbekannte Zeiten.
    Inéz ist bereits im Atelier; an einem Zeichenbrett hängen Kohlezeichnungen, über eine der Mahagonipuppen ist Stoff drapiert. Die Frauen küssen sich auf die Wange, dann nimmt Barbara die Wendeltreppe. Auf halber Höhe sagt sie: Ich geb Bescheid, wenn wir fahren.
    Yup. Willem steht gegen den Tresen gelehnt und sieht der Spanierin bei der Arbeit zu. Sie trägt einen tiefvioletten Hosenanzug, der mit feinen Silberfäden durchwirkt ist. Sie spürt Willems Blick und lächelt, ohne aufzusehen. Es gibt frischen Kaffee.
    Er setzt sich mit einer Tasse in ihre Nähe. Sie zieht einen Kreis um die Holzbüste, Schritte wie eine Tänzerin; geht in Reiterstellung, streicht und faltet Form in ein Stück Gewebe. Willem sieht ihren grazilen Körper unter dem Anzug, die Silberfäden in ihrem kurzen Haar. Dann sagt er: Ich krieg Laschek nicht in den Griff. Er löst einen Ekel in mir aus, der zuletzt alles ergreift. Und dann spuck ich ihm diesen Ekel ins Gesicht.
    Die Spanierin lacht. Sonst kannst du es doch auch besser.
    Bei dem Dicken krieg ichs nicht hin.
    Bist du dem auf den Grund gegangen?
    Nein. Aber ich lerne meine Schwächen kennen.
    Dann sieh Marcel doch als eine Herausforderung, an der du dich weiterentwickeln kannst.
    Hört sich gut an. Und wenn ich dann entwickelt bin, küsse ich ihm seine kleinen, fetten Tänzerfüße – dieser miese Knochen. Er vergewaltigt Frauen. Kinder.
    Wie bitte?
    Er treibt es im Netz.
    Du meinst, er gehört zu so einem Ring?
    Richtig nachweisen kann ichs ihm nicht. Aber ich weiß, daß er seine Perversionen treibt.
    Sie sieht Willem aus der Hocke heraus an. Vielleicht betrachtest du die Welt zuviel, anstatt in ihr zu handeln.
    Hat Barbara auch schon gesagt.
    Vielleicht solltest du weniger auf deinem Sofa liegen.
    Das kriege ich nicht hin.
    Das hast du noch nie hingekriegt, oder.
    Ich glaube nicht.
    Vielleicht kann man einem wie Marcel vom Sofa aus nicht so beikommen, wie er es braucht, um Respekt zu lernen.
    Willem sieht, wie das Gewebe durch ihre Finger gleitet. Wie die zarten Hände zupacken.
    Mit einer Nadel zwischen den Fingern blickt sie auf. Aber wer weiß: Vielleicht kriegst du es auf deine Art ja doch hin. Dann verschwindet die Nadel, und ihre Hände machen das Gewebe flüssig, lassen das Mahagoni durchschimmern wie dunkles Fleisch.
    Wenn ich nicht mehr weiterweiß, komme ich wieder.
    Mach das. Dann steht sie neben ihm. Sie riecht gut.
    Nach einer Zeit sagt Willem: Und Kronhardt?
    Sie sieht ihm in die Augen; feine

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