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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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verdammten Indianerschwuchteln, sagte er, und sein Griff war fest.
    Eine Weile stand nur das Rauschen aus dem Radio in der Wüstenluft, und über uns zogen die Zopilote ihre Kreise.
    Dann sagte einer der Indianer: Wohin gehen Sie, Señora?
    Zum nächsten Flughafen.
    Ay ay ay. Das ist aber weit.
    Der Mann trat von meiner Seite und steckte die Daumen in die Gürtelschlaufen. Was habe ich euch gesagt? Ihr Schwuchteln!
    Die anderen Männer lösten sich vom Jeep.
    Die Indianer fielen in ihren Singsang, und bald schien sich aus ihrer Sprache eine Wirkung zu entfalten; das Rauschen aus dem Radio verstummte, und auch die Männer sagten nichts mehr. Ich habe so etwas noch nie erlebt, es war beinah so, wie Sie immer sagen: eine geisterhafte Fernwirkung, und dann holten die Indianer meinen Koffer vom Jeep und nahmen mich mit.
    Der Esel ging voran. Mein Koffer war gut verzurrt, die Last schwankte kaum. Die Piste war in die Bergflanke geschlagen; sie wand sich, fiel auf einer Seite ab in tiefe Dunkelheit und schnitt sich kaum später steil gegen die Sonne. Flechten und Moose färbten den Stein, und einmal sah ich einen Kolibri stehen, winzig gegen den Blütenstand einer Agave. Nach einer scharfen Kehre öffnete sich der Ausblick, und hinter den tiefer liegenden Gipfeln erstreckte sich zum Horizont die Hochebene. Wir sahen auf ein paar Wolken hinab, doch die Luft war klar, der Himmel scharf vom Land geschnitten. Auf einer Brücke blieb der Esel stehen. Ein Bach zog unter uns hinweg, schmal und lautlos. Abwärts vertiefte er sich, und Bäume markierten den Einschnitt bis in die Ebene. Der Esel legte seine Ohren an, streckte den Kopf und brüllte. Dann fand er einen Weg unter die Brücke und trank. Die Männer folgten ihm.
    Sie saßen im Schatten, sahen dem Esel zu und sprachen in ihrem Singsang. Dann knieten sie sich hin und schöpften Wasser. Danach schnitten sie Früchte von einem Kaktus, die bald wie geöffnete Granatäpfel aus ihren Händen leuchteten.
    Wir gingen die Piste aufwärts, bis sich ein Tal vor uns ausdehnte. Die Sohle war weich geschliffen und zog in gefärbten Schichten bis an die fernen Hänge, hinter denen neue Gipfel bis über die Wolken aufstiegen. Der Esel nahm einen Pfad und zottelte voran. Es gab keinen Schatten, Säulen und bizarre Sprossen flimmerten silberfarben, Büschel mit schwertförmig aufgerichteten Blättern, und in der trockenen Luft zertrieben die Spuren blühender Palmlilien. Einmal, wie versteinert, saß eine Agame mit aufgestelltem Schuppenkamm, und voraus zogen aus dem Tal Pfade gegen die Berge wie Ameisenstraßen.
    Als wir einen dieser Pfade erreichten, markierte die Sonne bereits den Westen. Höhenluft und Gelände hatten mein Gefühl für Zeit und Entfernung verzerrt, und ich fragte die Indianer, ob wir bis in die Nacht marschieren würden. Doch sie lachten nur.
    Der Pfad war schmal mit Spuren von Tieren. Der Wind hielt den Bewuchs auf der Bergflanke kurz, manchmal traten aus dem Gestein Auswüchse hervor, grüne Schieferungen, Kristalle oder die bleichen Reste eines Riffs. Zum Gipfel hin stießen wir durch eine Falte mit nackten, verbogenen Schichten, die in rostroten Tönen leuchteten; aus einem zerklüfteten Spalt ragten Äste eines Adlerhorsts. Hinter der Falte ließ der Wind nach, und unser Pfad verlor sich am Himmel und tauchte erst an einem weit ferneren Himmel wieder auf. Mit jedem Schritt wuchsen neue Gipfel aus den Gipfeln, weich geformte Leiber, andächtig unter endloser Stille. Einmal hörten wir einen Raben aus dem Raum, und wenn eine Böe den Hang erfaßte, zerflirrte der Silberglanz auf den Säulen und Sprossen, und die Schwertblätter stießen aneinander. Das kleine Tal erschien unverhofft, und der Rancho lag wie eingebettet zwischen den milden Leibern riesiger Urtiere.
    Ãndale, sagten die Indianer. Und der Esel brüllte, und vom Rancho kläfften Hunde.
    Als wir näher kamen, zeigten sie auf ein paar Agaven. Dahinter, in stumpfer Farbe, stand ein Jeep. Dann waren die Hunde da, dann kam ein Mann. Er hieß Montoro, sein Jeep war kaum mehr als nacktes Blech, doch er fuhr den Weg zuverlässig seit einem halben Jahrhundert. Als wir die Nationalstraße erreichten, machte mich die Dunkelheit ehrfürchtig. Nie zuvor habe ich diese Endlosigkeit gespürt, sagt Striebeck. Doch dort in der Wüste, während Montoro mit mir auf einen Bus wartete, sah ich noch

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