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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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Theorie gar nicht gehen, weil sonst ganz schnell jeder vorsichtiger sein müßte. Besser, wir bleiben ruhig. Und dann mal sehen, was die Ramows rausbringen.
    Hört sich gut an. Er steht auf und küßt sie. Ich geh spazieren.
    Und wenn draußen die große Frau auf dich wartet?
    Dann bleib ich ruhig.
    Es ist die vertraute Stadt, vertrautes Milieu. Roland, goldene Pforte, und zum Ende der Böttcherstraße glitzert der Fluß. Ein alltäglicher Gang, und doch erscheint ihm die Welt ringsherum unscharf. Vielleicht entwickelt er auch neue Blickwinkel, aus denen heraus sich alles Vertraute verschiebt, und während er wie beiläufig dahinzieht, kann er spüren, wie seine Sinne ausgerichtet sind auf die große Frau und den großen Mann. Wie er das Gefühl hat, alles um sich herum gleichzeitig wahrzunehmen und dabei zwei Löffel mit Öl zu balancieren. Er ist sich sicher, nicht verfolgt zu werden.
    Ulrike Striebeck ist wieder aus Mexiko zurück. Ihr blondes Haar ist heller geworden, ihre Haut gebräunt, und wenn sie lächelt, erscheinen ihre Zähne noch weißer. Willem hat Kaffee zubereitet und die Sprossentüren geöffnet. Eine warme Brise fällt ein und vermischt sich mit dem frischen Duft.
    Schön, Sie zu sehen, Ulrike. Sie trinken den Kaffee noch schwarz?
    Ja. Und dann: Sie haben ja einen Rothko aufgehängt.
    Ihre Galeristin ist ein netter Mensch. Wir haben gemeinsam geschaut.
    Das ist das erste Mal, daß Sie hier oben etwas verändert haben?
    Ich verändere jeden Tag etwas.
    Aber Sie nehmen keine großen Eingriffe vor.
    Dazu besteht kein Anlaß. Jetlag?
    Ihr Lachen schneidet Linien in die braungebrannte Haut. Auf dem Rückflug saß ich schon wieder neben Texanern. Aber dieses Mal waren sie nicht besoffen. Sie klärten mich auf über die Vorzüge der Giftspritze gegenüber dem elektrischen Stuhl. Sie glaubten an den Heilplan Gottes und hielten es für selbstverständlich, daß über alle Ungläubigen noch auf Erden gerichtet werden müsse. Sie forderten die Giftspritze für Darwinisten, für Kommunisten und Anarchisten, und mich luden sie ein, einen ihrer Vorträge zu besuchen.
    Was wollen solche Menschen im Alten Europa, Ulrike?
    Uns missionieren. Uns in den Bankrott treiben oder ihre Gewinnanteile aus dem bankrotten Griechenland eintreiben.
    Das sagen Sie doch nur, weil die Antwort mir gefällt.
    Stimmt. Dann sagt sie: Bei unseren mexikanischen Freunden nichts Neues. Ihre Sonne verbrennt das Land, ihre Maschinen rattern rund um die Uhr, ihre Mädchen sind läufige Hündinnen, und die Kerle dazu stolzieren, als wäre ihnen noch das Rückgrat geschwollen. Unseren Auftrag haben sie aber ziemlich geschmeidig durchgebracht; die Yachtwäsche ist bereits im Container und unterwegs zu den Arabern.
    Willem macht eine Geste. Dann sagt er: Verschwinden immer noch Mädchen?
    Ja. Und weil das so ist, weiß in Juárez jeder, daß Polizei und Politik da mit drinstecken.
    Und der Drogenkrieg?
    Da stecken sie auch mit drin. Jeden Tag druckfrischer Horror in den Gazetten. Und die Kinder lernen schon in der ersten Klasse für den Fall, daß sie in die Schußlinie geraten. Anstatt morgens zu singen, spielen sie duck and cover, und Soziologen und Philosophen sagen eine neue traumatisierte Generation voraus.
    Mein alter Arzt, Doktor Blask, sagte immer: Bakterien und Viren, mein Junge. Das kann so ein friedliches Feld sein. Da wird die Katastrophe Mensch glattweg zur Nebensache. Hätte ich den Schneid für die Naturwissenschaften damals aufgebracht, würde ich mich heute womöglich mit den Phänomenen der Ameisen beschäftigen. Oder dem Georgischen Schädel.
    So sitzen sie, trinken den Kaffee.
    Dann sagt Willem: Haben Sie sich trotzdem was Extraschönes gegönnt?
    Zuerst war ich in Acapulco. Und dann in der Wüste.
    In der Wüste?
    Eine Notlandung.
    Ach.
    Wenn Sie wollen, erzähle ich Ihnen die Geschichte.
    Und Willem schenkt zwei Calvados ein, dann machen sie es sich im Leder gemütlich.
    Ãœberall, wo in Mexiko Geld steckt oder rausgeschlagen werden kann, hängt die Politik mit drin. Und die Politik selber hängt an den Kartellen, und darum funktioniert der mexikanische Flugverkehr, wie vieles im Land funktioniert: Das Geld, um den Menschen Bildung und Fähigkeiten zu vermitteln, fehlt, und die wenigsten verfügen über einen tieferen Hintergrund in ihrem Beruf. So improvisieren die

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